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Wenn du den Wehrdienst verweigern willst ...

Entscheidungsfindung

Bist du dir darüber in klaren , weshalb du den Wehrdienst ablehnst ? Wir schlagen dir vor, deine Argumente mit anderen durchzusprechen, mit Freunden, die deiner Meinung sind und' mit solchen, die deine Meinung nicht teilen. Wenn du eine klare Entscheidung für dich getroffen hast, informiere dich über die juristischen Gegebenheiten. Bedenke auch, wer von deiner Entscheidung alles mitbetroffen ist (Partner, Eltern, Kinder usw.) Wir schlagen dir vor, daß du versuchst, möglichst schriftlich, deine Gründe zu formulieren.

Vorschläge zum Umgang mit deiner Verweigerungserklärung

Wenn du in deiner Entscheidung fest bist - mit einer Inhaftierung mußt du nach dem bestehenden (Un)Rechtsgesetz immer rechnen - teile deine Entscheidung in kurzer Form dem Wehrkreiskommando mit, spätestens sollte dies zu einer Einberufungsüberprüfung und dabei noch möglichst vor dem Termin erfolgen. Prinzipiell ist dies aber auch nach Erhalt des Einberufungsbefehls möglich. In letzterem Fall solltest du gut vorbereitet persönlich auf dem Wehrkreiskommando erscheinen. Bis auf wenige Ausnahmen war die Praxis der letzten 4 Jahre dabei so, daß die Einberufungsbefehle für diesen Termin zurückgezogen wurden. Aus der Erklärung der Wehrdienstverweigerung dürfen keine juristischen Verfolgungen abgeleitet werden. Siehe hierzu Kommentar zum Strafgesetzbuch § 256. Der als Straftatbestand gewertete Akt der Wehrdienstverweigerung tritt erst ein, wenn du dazu auch in der Lage bist. Faktisch also erst nach dem Einberufungstermin. Mittlerweile sind bereits hunderte diesen Weg gegangen und haben dem Wehrkreiskommando ihre Entscheidung mitgeteilt, ohne direkt mit einer Einberufungsüberprüfung konfrontiert gewesen zu sein. Andere wiederum entschieden für sich in der Weise, daß sie mit der Abgabe ihrer Erklärung bis zur Konfrontation seitens des Wehrkreiskommandos warten wollen, weil sie sich diesem gegenüber in keiner Weise rechenschaftspflichtig fühlen und von vornherein eine Verfügungsgewalt über ihre Person seitens des Wehrkreiskommandos ablehnen. Ein Nichterscheinen zur Einberufungsüberprüfung zieht zumeist eine polizeiliche Zuführung zu demselben nach sich. Das kostet so ca. 70 Mark. In einem Fall wurde wegen Verweigerung der ärztlichen Musterungsuntersuchung eine Ordnungsstrafverfügung über 250 M erlassen. Diese Handlungen oder Nichthandlungen werden als Ordnungswidrigkeit verfolgt.

Vorbereitungen

Suche dir möglichst gut informierte Gesprächspartner, am besten einen, der selbst eine solche Situation erlebt hat.

Versuche möglichst konkrete Absprachen mit deinen Freunden und Angehörigen zu treffen, die dich und Mitbetroffene während einer möglichen Inhaftierung begleiten. Auch ihnen sollten alle rechtlichen Grundlagen bekannt sein. Das betrifft Strafgesetz, Strafprozessordnung, Srafvollzugsbestimmungen.

Nimm Kontakt zu einem kirchlichen Mitarbeiter auf. Möglichst solltest du einen Rechtsanwalt deines Vertrauens wählen, der dich beim Prozeß vertritt und während der Haft begleitet. Es ist auch möglich kirchliche Stellen von deiner Entscheidung zu informieren. Fertige Durchschläge von deiner Verweigerungserklärung und allem Schriftverkehr in diesem Zusammenhang.

Adressen:

Kirchenleitung der jeweiligen Landeskirche, für Berlin

- Ev. Konsistorium Berlin - Brandenburg, Neue Grünstr. 19, Berlin, 1020, Herr Rückert, tel. 278020

- Ev. Jungmännerwerk, Sophienstr. 19, Berlin, 1020, Herr Bunzel, tel. 2828403/425

- Stadtjugendpfarramt Berlin, Schönhauser Allee 78, Berlin, 1071, tel. 4481632

Letzte Vorbereitungen für den Strafvollzug

Laß dich von möglichst vielen über die Gegebenheiten in der U-Haft und in Strafvollzug informieren, damit du möglichst genau weißt, was dich erwartet. Wichtig ist vor allem sich über die Verhörspraxis zu informieren. Ein Verhör ist nicht mit einem Debattierclub zu verwechseln. Es ist kein ,,Dialog". In deiner Verweigerungserklärung, die dem Wehrkreiskommando vorliegt, hast du bereits alles gesagt. Weitere Aussagen sind überflüssig und haben nur den Zweck, dein Strafmaß zu erhöhen. Oft wird auch versucht, Informationen über Dinge, die mit dem Gegenstand deiner persönlichen Entscheidung nicht das geringste zu tun haben, aus dir herauszupressen unter Vorgabe aller möglichen Versprechungen.

Du solltest dich genau mit dem Strafvollzugsgesetz (GBl vom 15. 4.77, Teil 1, Nr.11) und allen angrenzenden Bestimmungen vertraut machen. Im Zusammenhang mit einer Straftat ,auch bei dieser, kann eine Wohnungsdurchsuchung durchgeführt werden

Versuch dich möglichst genau auf die bevorstehende Haftzeit einzustellen. Überleg dir welche Dinge dir wichtig sind und auf welche du während einer möglichen Haftzeit verzichten könntest. (z .B. ob du dir das Rauchen abgewöhnen könntest) Erfahrungsgemäß mußt du damit rechnen, daß versucht wird, dich mit solcherart Dingen zu erpressen. Versuche dich also auf ein bewußtes Leben mit dem Verzicht einzustellen, wichtiger ist die persönliche Integrität, die dir wiederum Kraft für diese Zeit geben kann.

Informiere dich, welche Dinge du von den dir wichtigen mit in die U-Haft nehmen kannst. Triff nochmals genaue Absprachen mit nächsten Angehörigen und Freunden.

Wesentlich ist, daß du nach der Inhaftierung völlig isoliert bist und von politischen Poker um den Sachverhalt nichts erfährst, wie auch nicht von Solidaritätsaktionen.

Andererseits ist es auch dir nun nicht mehr möglich, dich und deine Motivation der Öffentlichkeit zu erklären, dies könnten nun aber Freunde für dich übernehmen.

Erfahrung im Umgang mit Totalverweigerern

Da es keinerlei Rechtssicherheit gibt und auch ansonsten die Erfahrung vorliegt, daß eher nach politischem Kalkül entschieden wird, wenn Sachverhalte eine Öffentlichkeit haben, wobei die Existenz irgendwelcher Gesetze keine Rolle spielt, mußt du dich auf jede Situation einstellen. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre kann keinerlei Garantie abgeleitet werden.

Bis November 85 wurden Wehrdienstverweigerer zu 20-24 Monaten Haft verurteilt, bei Reservedienstverweigerung waren es entsprechend 4 - 9 Monate. Im Nov. 85 wurden über 50 Verweigerer inhaftiert. Proteste der internationalen Friedensbewegung und von Friedensgruppen im Land erzwangen nach 4 Wochen deren Freilassung. Natürlich auch in Abhängigkeit von der damaligen politischen Situation.

In Mai 88 waren ca. 20 Verweigerer für 5 Tage inhaftiert, wobei es sich überwiegend um Antragsteller handelte, Hintergrund bildeten angekündigte Beteiligungen an der Maidemonstration, die Inhaftierten übten so eher Geiselfunktion aus. In beiden Fällen wurden lediglich die Einberufungsbefehle zurückgezogen, womit kein Straftatbestand mehr vorlag. Allerdings muß immer wieder betont werden, daß diese Beobachtungen nur auf bekanntgewordenen Fällen beruhen.

Möglich ist auch der Abschluß persönlicher Friedensverträge mit Verweigerern aus anderen Ländern. Dabei könnten dir der Freundeskreis Wehrdiensttotalverweigerer, die Umweltbibliothek und andere Friedensgruppen behilflich sein.

Mach dir bewußt, daß von deinem Verhalten und deiner Standfestigkeit andere mitbetroffen sind. Etwaige Angebote seitens des Staates, das Land zu verlassen solltest du ausschlagen auch wenn du Antragsteller bist. Friedensgruppen werden explizit die Haftentlassung in die DDR fordern.

Zum innerkirchlichen Gebrauch (UB, Oktober 88)

Quelle dieses Textes und weitere Materialien: Matthias-Domaschk-Archiv, Schliemannstraße 23, 10405 Berlin, Fon/Fax: 0 30 / 4 46 48 44

 

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