Perspektiven der IDK
Ossip K. Flechtheim ". . . Unruhe im politischen Getriebe . . . "
Ein NachrufAm 4.März 1998, am Vorabend seines 89. Geburtstages, verstarb Ossip K. Flechtheim. Er war Mitglied der IDK. Prof. Ossip K. Flechtheim hat nach dem Krieg dazu beigetragen, die Politische Wissenschaft in Deutschland wiederzubegründen und ihr zu internationalem Ruf verholfen.
Trotz seiner etablierten Position im wissenschaftlichen Bereich war er stets ein "unbequemer Außenseiter"; wurde einmal in einem Rundfunkbeitrag festgestellt. Und weiter heißt es dort pointiert, daß Flechtheim Zeit seines Lebens auf den Listen staatlicher Sicherheitsorgane vermerkt war, "sei es als Opfer staatlich sanktioniertem Terrorismus im Dritten Reich, sei es als 'Spion des Imperialismus' wie das Neue Deutschland einmal schrieb oder als 'geistiger Wegbereiter des Terrorismus', der vom Bundesgrenzschutz (BGS) schon manchmal aus dem Auto geholt wurde... . Von abstrakter und deshalb falscher Loyalität ließ er sich nie vereinnahmen, weder vom Staat noch von Parteien oder Gruppen, deren Mitglied er einst war ... Diejenigen, die sich in Leitartikeln mokieren über die scheinbar zahllosen Aufrufe, unter denen auch sein Name zu finden ist, werden nie begreifen, daß ihre proklamierte Liberalität, ihr beschwörender Verweis auf die beste Verfassung, die die Deutschen je besaßen, Substanz erst gewinnt durch das Handeln solch unbequemer Außenseiter."*
Bereits Anfang der 60er Jahre war er beteiligt an Strategiediskussionen der "Neuen Linken". Auf einer Konferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) verwies er auf die US-amerikanischen "Ein-Punkt-Bewegungen" und praktizierten "Direkten Aktionen". Es ging ihm um die "Unruhe im politischen Getriebe einer durchorganisierten und institutionaliserten Welt" mit dem Ziel der Organisation von Gegenmacht zu etablierter gesellschaftlicher Organisation.**
Seine von ihm später formulierten neuen Dimensionen des Sozialismus lassen sich als Globalsozialismus, Humansozialismus oder als Ökosozialismus skizzieren: dieser Sozialismus negiert vor allem die einfache Gleichsetzung von Sozialismus mit totaler Verstaatlichung und muß im Weltmaßstab oder zumindest in Großräumen wie etwa Europa operieren. Der Sozialismus ist ferner universalistisch-pazifistisch orientiert mit neuen Formen von Föderalismus und steht in der "humanen Tradition des Liberalismus, des Radikalismus (auch im englischen Sinne des Wortes), aber auch des gewaltfreien Anarchismus. Er betont die Autonomie des Individuums in der Gesellschaft"...***
Die Menschen zum eigenständigen Handeln, zum Beispiel durch Selbstabrüstung durch Kriegsdienst- verweigerung zu verbinden war das gemeinsame Anliegen der Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK). In diesem Sinn vertrat Ossip K. Flechtheim aktiv die Ziele der IDK. Er war nicht nur ein "Förder"-Mitglied sondern auch interessiert und beteiligt an Mitgliederversammlungen und ein Vortragsredner auf IDK-Veranstaltungen. Wir wollen an dieser Stelle auch Lili Flechtheim-Faktor nicht unerwähnt lassen, die untrennbar mit Ossips Arbeit verbunden war. Im Nachbarschaftheim Schöneberg diskutierten wir im Libertären Forum über die Perspektiven des Ökosozialismus und im Kreuzberger Mehringhof, dem IDK-Domizil, über die Abschaffung der Wehrpflicht und die totale Kriegsdienstverweigerung (TKDV). Als wir Ende der 80er Jahre das Buchprojekt Gewaltfreie Revolution planten, war Ossip K. Flechtheim sofort bereit das Vorwort zu übernehmen.****
Ein politischer Machtwechsel in Deutschland deutet sich an jedoch sind die Konturen des gesellschaftspolitischen Wandels dürftig ... was uns unabhängig von irgendwelchen Wahlstrategien bleibt ist - im Sinne Flechtheims - die Schaffung von Unruhe im politischen Getriebe!
W. By.
* Christian Fenner: Aus einem Beitrag, der vor 5 Jahren für den SFB geschrieben wurde, in: A.W. Mytze: Europäische Ideen, O.K.Flechtheim zum 80. Geburtstag, Heft 69 / 1989, S.37
** Vgl.: Hans Manfred Bock: Geschichte des >linken Radikalismus< in Deutschland. Ein Versuch, Frankfurt a.M. 1976, S.201 ff
*** O.K.Flechtheim: Einführung in den Ökosozialismus, in: Scherer/ Vilmar (Hrsg.): Ein alternatives Sozialismuskonzept: Perspektiven des Ökosozialismus, Berlin 1984, S.18
Vgl. Lakey / Randle: Gewaltfreie Revolution, Beiträge für eine herrschaftslose Gesellschaft, Vorwort: O.K.Flechtheim, OPPO Verlag Berlin 1988
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