Beim Streit um den Eurofighter geht es gar nicht um den Eurofighter: Es geht um die Finanzsituation der Bundesrepublik, unser Renommee in Europa, die Wehrpflicht und die Zukunft der Bundeswehr insgesamt. Volker Rühe verbeißt sich in den Vogel und die Wehrpflicht gleichzeitig, und jeder einzelne Bissen sollte eigentlich groß genug sein, um ihm für eine Weile den Mund zu stopfen, aber er kann den Hals nicht vollkriegen.
Verteidigungsminister Rühe will das Unmögliche: Die Wehrpflicht und die Bundeswehrstärke von 340 000 Mann soll erhalten bleiben, und 180 Stück des Kampfbomber-Geflügels (Stückpreis 125 Millionen ohne Bewaffnung, insgesamt 23 Milliarden Mark) sollen gekauft werden. Beides zusammen aber gibt der Bundeshaushalt einfach nicht her. Allein im Etat für 1998 schlägt der Flieger mit 847 Millionen Mark zu Kontor. Rühe sitzt in der Zwickmühle: Entweder er streicht den Etat der Bundeswehr zusammen, riskiert damit die Nichteinsatzfähigkeit der Streitkräfte und dünnt die Wehrgerechtigkeit weiter aus, was wiederum an der Wehrpflicht sägt - oder er kippt das Großprojekt Eurofighter, was die deutsche Glaubwürdigkeit innerhalb der EU ruiniert. Das eine will er nicht ("Die Wehrpflicht aushöhlen? Nicht mit mir"), das andere darf er nicht. Schon droht der britische Verteidigungsminister: "Ein Ausstieg Deutschlands würde die Glaubwürdigkeit der europäischen Zusammenarbeit schwer schädigen." Selbst Theo Waigel hält den Fighter für unabdingbar: Zum einen aus verteidigungspolitischen Gründen (in Wirklichkeit sorgt sich Waigel um die vielen Dasa-Arbeitsplätze in Bayern), zum andern gehe es um eine internationale Kooperation, aus der sich Deutschland nicht einfach ausklinken könne.
Inzwischen werfen selbst CDU-Kollegen wie der Wehrexperte Thomas Kossendey Rühe "Denkverbote" vor: "Wir müssen überlegen, ob die Bundeswehr in dieser Größenordnung noch lange haltbar ist." Immerhin machen die Personalkosten bei der Bundeswehr 53 Prozent aus - schon ein Verzicht auf 10 000 Wehrpflichtige würde 300 Millionen Mark sparen. Und gerade haben wieder einmal Friedensforscher vorgerechnet, bei der Bundeswehr ließen sich ohne Sicherheitseinbußen mindestens zehn Milliarden Mark sparen, wenn man gleichzeitig die Wehrpflicht abschafft.
Der Eurofighter nicht so sehr militärisch notwendig (müssen über Bosnien ausgerechnet hochmoderne europäische Kampfflugzeuge kreisen? Können das nicht auch die Amerikaner erledigen?), sondern mit dem Kampfflugzeug lassen sich angeblich in Deutschland 18 000 Arbeitsplätze schaffen. Dabei hat die SPD schon vorgeschlagen, wie man Jobs sichern kann, ohne einen überflüssigen Jet zu bauen: Sie möchten die Milliarden statt in die Kampfmaschine in die Entwicklung ökologisch verträglicher Luftverkehrssysteme stecken: In Zeppeline und wasserstoffbetriebene Flugzeuge. Auch die Grünen wollen auf den Eurofighter verzichten: Der Vogel drohe "zum teuersten und überflüssigsten Rüstundgsprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik zu werden", sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Angelika Beer.
Zu allem Überfluß stellte sich jetzt heraus, daß das Flugzeug schwerwiegende Mängel aufweist: So ist die elektronische Flugsteuerung so langsam, daß sich das Flugzeug nicht mit Höchstgeschwindigkeit fliegen läßt und die gepriesene Manövrierfähigkeit nicht erreicht wird. Zudem hat auch das Radarsystem Mängel: Der Pilot kann auf dem Schirm noch nicht einmal erkennen, ob ein angezeigtes Ziel aus einem oder mehreren Flugzeugen besteht.
Um den Eurofighter zu finanzieren, werden jetzt andere Projekte gestrichen: Die Kampfdrohne Taifun zum Beispiel, die insgesamt 940 Millionen Mark kosten sollte - fast soviel, wie im Haushalt für die Beschaffung des Jägers noch fehlt. In einem Prüfbericht hatte der Bundesrechnungshof die Drohne als völlig überflüssig bezeichnet. Für den deutsch-französischen Kampfhubschrauber Tiger scheint der Bundeswehretat aber noch mal 733,6 Millionen Mark herzugeben.
Am Ende kommt bei der Auseinandersetzung um den Fighter genau das heraus, was Rühe eigentlich nicht will: Ein unnötiges Kampfflugzeug und eine Wehrpflicht, die den nächsten Kassensturz nicht überlebt. Insofern müssen wir für den unnützen Vogel eigentlich schon wieder dankbar sein. Motto: Eurofighter: ja bitte - damit die Wehrpflicht endlich fällt.
Johannes H. Guthschink
Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 3/97 entnommen.