Ostslawonien: Die Tage der Friedenskultur 1997

Ein Versuch, Haß und Gewalt zu überwinden

Unser Autor Michael Grabner arbeitet seit über einem Jahr als Friedensdiener, der österreichischen Variante des Zivildienstes, im Osijeker Zentrum für Frieden, Gewaltfreiheit und Menschenrechte. Zum vierten Mal seit Beginn des serbisch-kroatischen Krieges 1991 veranstaltete das Zentrum im Juli die "Tage der Friedenskultur". Waren früher die Manifestationen, die alle zwei Jahre stattfinden, auf Osijek (Kroatien) beschränkt, so wurde heuer erstmals auch das "serbisch-besetzte" Ostslawonien (derzeit noch unter UN-Verwaltung) mit der symbolträchtigen Stadt Vukovar in diese Friedenskundgebung miteinbezogen.

Der Konflikt in Ostslawonien scheint in Europa, das sein Hauptaugenmerk heute auf Bosnien richtet, schon längst in Vergessenheit geraten zu sein. Am 18. November 1991 fiel Vukovar nach einer 6-monatigen Schlacht, bzw. es wurde befreit, je nach Anschauung. Dieser serbisch-kroatische Konflikt in Ostslawonien war einer der grausamsten, verbunden mit der 90%igen Zerstörung der Stadt Vukovar, mit Morden und ethnischen Säuberungen auf beiden Seiten der Frontlinie, die um die Stadt Osijek herum zum Stehen kam, und die jede

Kommunikation mit der jeweils anderen Seite verhinderte. Noch im Sommer 1995 gab es Granatenhagel auf Osijek von serbischer Seite her, als Antwort auf die kroatische militärische Rückeroberung von Westslawonien und Krajinaregion. Eine logische Konsequenz wäre auch der Einmarsch der kroatischen Armee in Ostslawonien gewesen. Aber die UNO konnte dies verhindern, indem sie versprach, dieses Gebiet friedlich wieder in Kroatien einzugliedern.

Noch während des Krieges 1991/92 schloß sich in Osijek eine Gruppe von (ethnisch gemischten) Intellektuellen zusammen, die sich gegen die Explosion des Hasses wandte, und die sich als Kern der zivilen Gesellschaft sah: das "Zentrum für Frieden, Gewaltfreiheit und Menschenrechte Osijek" wurde gegründet. War es am Anfang noch mit zahlreichen Problemen behaftet, wie dem mangelnden Verständnis in der Bevölkerung oder etwa Behördenschikanen, so wurden doch bald mit Unterstützung von ausländischen Friedensorganisationen Projekte realisiert, wie zum Beispiel materielle Hilfe bei Reparaturen, psychosoziale Hilfe für Flüchtlinge, Friedenserziehung in Schulen, Rechtsberatung und -beistand bei Staatsbürgerschaftsproblemen oder Delogierungen, und vor allem:

es wurden wieder Kontakte hergestellt zu Menschen auf der anderen Seite. Zur Wiederherstellung des Vertrauens werden nun schon seit Jahren Treffen von getrennten Familien, Freunden und Arbeitskollegen in Mohatsch (Ungarn) veranstaltet, seit letztem Jahr auch in Osijek und in Ostslawonien selbst, nachdem die ehemalige Frontlinie immer offener und sogar zu einem Ort der Begegnung wurde.

Diesem Umstand ist es zu verdanken, daß das Friedenszentrum Osijek vermehrt regelmäßige Kontakte zu Friedensinitiativen und Menschen der anderen Seite pflegt. So war es eine logische Folge, dieses mal die "Tage der Friedenskultur" auf beiden Seiten zu veranstalten, als ein Zeichen für einen Neubeginn, als ein Zeichen dafür, daß ein Zusammenleben wieder möglich ist, als ein Zeichen dafür, daß der Frieden letztendlich in diese Region einkehren kann. Sicherlich sind noch nicht alle Probleme beseitigt, aber die Veranstalter der "Tage der Friedenskultur" - nämlich das Friedenszentrum Osijek, die Jugendaktionsgruppe Osijek und die Local Democracy Embassy des Europarates - wollten mit ihrer Aktion auf ihre Vorschläge eines friedlichen und sicheren Zusammenlebens für die Zukunft aufmerksam machen.

Workshops und Ausstellungen

Eröffnet wurden die "Tage der Friedenskultur '97" mit einem Freiluftspektakel im Zentrum Osijeks. Unter den zahlreichen Rednern war auch der UN-Übergangsverwalter für Ostslawonien, General Klein, anwesend. Musik- und Folkloreeinlagen, sowie Friedensgedichte rundeten diese sehr gut besuchte Eröffnung ab. Jeweils einen Tag wurde in Osijek und in Vukovar ein Friedensforum mit dem Titel "Strategien für den Aufbau eines dauerhaften Friedens" abgehalten. Schwerpunkte bei den Referaten und Diskussionen, bei denen sowohl lokale (von beiden Seiten) als auch internationale Teilnehmer (auch aus Serbien und Bosnien) anwesend waren, bildeten dabei: Frieden und Sicherheit in Europa, Arbeit - Wirtschaft - Gerechtigkeit, Zivile Gesellschaft und Friedensaufbau, Gerechtigkeit - Vertrauen - Konflikttransformation, und nicht zuletzt KDV aus Gewissensgründen und Zivildienst, eine Institution, die in Kroatien noch in Kinderschuhen steckt, aber vom Friedenszentrum Osijek sehr intensiv gefördert wird. Es gab eine Reihe von Workshops zur Friedenserziehung in einer Nachkriegsgesellschaft, zur Rolle von Frauen, Frauenorganisationen, Glaubensgemeinschaften und Medien beim Friedensaufbau sowie zum Probleme der Rückkehr. Neben diesen Hauptgeschehnissen gab es noch Ausstellungen ("Das Friedenszentrum Osijek 1992-97"), ökumenische Gebete, eine Diaschau ("Peace Trees Vietnam"), interessante Begegnungen und Gespräche u.v.m. Der letzte Tag war dann einem Ausflug in die Kopacevo Auen, ebenfalls auf der anderen Seite, gewidmet.

Noch sind nicht alle Gegensätze zwischen Kroaten und Serben in Ostslawonien überwunden. Dazu ist noch viel Anstrengung erforderlich, aber auch eine tatkräftige Unterstützung aus dem Ausland. Weitere Konflikte, etwa bei der Rückkehr der Kroaten nach Ostslawonien oder der Serben auf den Osijeker Arbeitsmarkt, sind womöglich vorprogrammiert. Auf alle Fälle sehen wir schon den nächsten "Tagen der Friedenskultur" in zwei Jahren positiv entgegen, dann allerdings ohne UN-Präsenz, ohne Checkpoints, aber hoffentlich auch ohne Haß und Gegensätze.

Informationen bei:
Centre for Peace, Non-violence and Human Rights
Kersovanijeva 4, HR-31000 Osijek, Kroatien
Fon und Fax: ++385-31-123-218 oder 120-592
e-mail: MIR_OS@ZAMIR-ZG.ZTN.APC.ORG
e-mail: MICHAEL-H.GRABNER@ZAMIR-ZG.ZTN.APC.ORG

 

Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 3/97 entnommen.