Ganz loyal

illoyal: Kein neuer Stern am Zeitschriftenhimmel

Nachdem sich der Verein Mit Uns gegen die Wehrpflicht unlängst so ruhmlos von tilt losgesagt hatte, besitzt er nun mit seiner neuen Zeitschrift illoyal - Journal für Antimilitarismus genau das, was er schon lange haben wollte: Ein loyales Verlautbarungsorgan der Kampagne gegen Wehrpflicht.

Kaum zu glauben. Außen tilt und innen der Pudelzüchter- und Kleingärtnermief, der immer dann zu Papier gebracht wird, wenn deutsche Vereine Nabelschau betreiben. Format, Aufmachung, Farbgestaltung, ja selbst der Preis, ganz die tilt, die kein langweiliges Vereinsblättchen werden wollte.

Schwerpunkt der loyalen Null-Nummer ist der siebente Geburtstag des Vereins. Unter der Headline "Zu Lande, zu Wasser und in der Luft" feiern sich die Herausgeber und erinnern an ihre schönsten Gleisbesetzungen und den fiesesten Polizeieinsatz gegen die Kampagne. Als besonders kurios kann dieser Titel schon deshalb gelten, weil einige Mitglieder des Vereins in letzter Zeit beklagen, daß sich die Kampagne immer mehr militärischen Strukturen annähert – mit einem Generalissimus an der Spitze.

Der Adreßteil blendet konsequent alle nicht vereinskonformen Gruppen und Organisationen aus. Das es auch ein antimilitärisches Leben außerhalb des Vereins/der Kampagne gibt, scheint so unvorstellbar wie Leben auf dem Mond. Wer nicht den Verein durch Teilnahme an seinen Schulungen als allein seeligmachenden und allwissenden Antimilitarismusguru Berlins anerkennt, steht kurz davor, in den Klub der Unpersonen aufgenommen zu werden.

Statt die Gründung der Vereinszeitschrift und den siebenten Geburtstag zum Anlaß zu nehmen, kritisch zu überprüfen, wo die antimilitärische Arbeit des Vereins heute steht und zu fragen, was erreicht wurde und was nicht und wo man weiter hin will, suhlt sich illoyal in Selbstgefälligkeit und Trägheit.

Gähn.

Stephan Scholz

 

Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 3/97 entnommen.