Gut beraten?

Ein Bericht von der Zivi-Ratgeberfront

Wer im Bücherladen nach einem Ratgeber für Kriegsdienstverweigerung (KDV) und Zivildienst Ausschau hält, findet meist nur ein, zwei Titel im Regal. Besser ist es, den Verkäufer einen Blick in seinen Computer werfen zu lassen. Welche Bücher sinnvolle Investitionen sind und von welchen man besser die Finger läßt, verrät Euch tilt.

Je nach Lieferanten des Buchhändlers werden dem Ratsuchenden vom Computer bis zu 20 Titel offeriert, viele hoffnungslos überaltert oder als Ratgeber nur für einen eingeschränkten Personenkreis verwendbar. Da sich im Bereich der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes in den letzten Jahren pausenlos Änderungen ergaben, gilt die Faustregel, daß man auf Literatur, die älter als zwei Jahre ist, besser verzichtet. Bei einer Neuauflage sollte darauf geachtet werden, daß diese auch aktualisiert wurde, denn was nützt ein Ratgeber, der seit zehn Jahren unverändert nachgedruckt wird?

Klassische Schwerpunkte der Ratgeber sind die KDV-Motivation und Antragstellung, Zivildienst mit seinen Einsatzgebieten sowie den Rechten und Pflichten der Zivildienstleistenden. Je nach politischer Ausrichtung der Autoren werden diese durch Auflüge in die Geschichte der KDV ergänzt, Grundsatzkritik am Zivildienst geübt oder die Themen Totalverweigerung, Frauenverplanung und Gesamtverteidigung mehr oder weniger ausführlich behandelt. Leider wird der interessanten Rubrik "Wie drücke ich mich am besten vor allen Zwangsdiensten, ohne vors Gericht zu müssen?" allgemein wenig Raum geschenkt. Aufmerksamkeit sollte man auch dem Anhang der Ratgeber widmen, denn ausgiebigen Stichwortverzeichnis, Adreß- und Literaturhinweise sind oft sehr hilfreich.

Liegen KDV-Antragstellung und geplanter Zivildienst zeitlich nah beieinander, dann achte man darauf, daß der Ratgeber beide Themen ausführlich behandelt, wobei der Schwerpunkt eindeutig beim Zivildienst liegen kann. Das hat seinen Grund darin, daß fast alle vollständigen Anträge auf Kriegsdienstverweigerung anerkannt werden; sollte man in dieser Phase Probleme haben, dann wendet man sich am besten gleich an eine Beratungsstelle.

Wer nur einen KDV-Antrag stellen will und erst Jahre später mit seiner Einberufung zum Zivildienst rechnet, ist vielleicht schon mit einem der bei vielen Beratungsstellen oft kostenlos verteilten Hinweisblättern gut bedient. Grob unvernünftig handelt allerdings, wer zum Zivildienst antritt, ohne sich ausreichend über seine Rechte informiert zu haben – und dabei hilft vor allem ein gutes Handbuch. Drei der aktuellen Beratungsbücher haben wir uns näher angesehen.

Die andere Seite

Fast direkt aus dem Bundesamt für den Zivildienst (BAZ) kommt der Beck-Rechtsberater für KDV und Zivildienst. Die Autoren Elbert und Fröbe sind als Regierungsdirektoren hochrangige Beamte des BAZ. Wer will es ihnen da verdenken, daß sie mit ihrem Buch nicht nur ein paar Mark verdienen, sondern auch gleich alle Leser auf Kurs bringen wollen, auf daß ihre schwere und verantwortungsvolle Tätigkeit im BAZ nicht durch aufmüpfige Verweigerer und Zivis gestört wird?

Mit dem Redaktionsschluß Juli 1997 ist dieser Titel hoch aktuell. Die Themen Kriegsdienstverweigerung (Antragstellung) und Zivildienst werden umfassend auf einer formalen, juristischen Ebene erläutert. Wer Tips und Tricks sucht, ist mit diesem Buch schlecht bedient. Die Sprache ist wenig geeignet, um Spaß beim Lesen aufkommen zu lassen.

Insgesamt beleuchten Elbert und Fröbe eher das Soll. Der dröge Alltag der meisten Zivildienstleistenden findet keine Beachtung. Zum Thema Totalverweigerung wissen die Autoren nur zu berichten, daß das ganz schlimm sei und ein anerkannter KDVer nicht totalverweigern könne. Das KDV und Zivildienst keinerlei Bewertung unterzogen wird, versteht sich für dieses Buch von selbst. Weiterführende Literatur wird nicht empfohlen. Ebenso vermißt man ein Adreßregister. Empfehlen kann man das Werk für Beratungsstellen und Menschen, die sich auf einen Rechtsstreit in Sachen KDV oder Zivildienst vorbereiten. Für den Zivildienst-Alltag ist dieser Titel nicht oder nur als Zweitbuch zu gebrauchen.

Die andere Ecke

Aus einer gänzlich unerwarteten Ecke kommt der Titel Kriegsdienstverweigerung: Ein Ratgeber . Die IG Metall-Jugend hat zusammen mit der DFG-VK einen lesbaren Überblick über Kriegsdienstverweigerung herausgebracht. Schwerpunkt des Buches ist die Motivation für eine Kriegsdienstverweigerung. Ausführlich wird auf die deutsche KDV-Geschicht (auch die des Ostens) sowie über die Beziehungen zwischen Industrie und Verteidigungspolitik eingegangen. Wer nicht recht weiß, was er in seine KDV-Begründung schreiben soll, findet hier genügend Material.

Die KDV-Antragstellung wird ausreichend besprochen, ebenso die Verweigerungsmöglichkeiten von Frauen. Ein ganzes Kapitel ist der Wehrpflicht von Ausländern und Doppelstaatern gewidmet. Totalverweigerung ist kein Thema des Buches. Die Hinweise für Zivildienstleistenden sind mit 18 Seiten eher spärlich. Das Gleiche läßt sich auch vom Adreß- und Literaturverzeichnis sagen.

Besonders interessant macht diesen Ratgeber, daß dargestellt wird, wie Friedensarbeit Teil der Gewerkschaftsarbeit sein kann. Peinlich sind jedoch die abschließenden Aktionsvorschläge, die von KDV-Abenden, über Friedens-Wandzeitung und -Quiz, bis zu Solidaritätspartys und Straßenprovokationen reichen. Empfohlen werden kann der Titel für alle, die sich auf eine KDV-Antragstellung vorbereiten. Zivildienstleistende dürften wenig praktischen Nutzen aus dem Ratgeber ziehen.

Der Klassiker

Das Zivi-Kursbuch: Ratgeber für den Zivildienst wird von der Selbstorganisation der Zivildienstleistenden (SOdZDL) herausgegeben, die schon für den berühmten Drückeberger verantwortlich zeichnete. Das Kursbuch versteht sich als Nachfolger dieses Klassikers. Da die redaktionelle Arbeit erst im April 1997 abgeschlossen wurde, ist auch dieser Titel sehr aktuell.

Im Kursbuchs werden Antragstellung und Zivildienst sehr ausführlich besprochen. Praktisch jede Frage des Zivildienstes wird verständlich beantwortet. Die Stil ist recht locker, so daß es Spaß macht, im Kursbuch zu lesen. Zahlreiche Beispiele, Tips sowie Verweise auf Gesetze, Verordnungen und Erlasse runden den insgesamt sehr guten Eindruck ab.

Dienst-Vermeidungsstrategien werden ebenso angesprochen wie die (westdeutsche) KDV/Zivildienst-Geschichte und das Thema Totalverweigerung. Angenehm fiel auf, daß die Autoren sich insgesamt kritisch mit dem Zivildienst als einen Zwangsdienst auseinandersetzen und seiner Einbindung in das System der Gesamtverteidigung erläutern. Ein umfassendes Adreßregister und eine Liste interessanter Medien (nicht nur Bücher) finden sich im Anhang.

Geeignet ist das Zivi-Kursbuch für alle, die Zivildienst leisten müssen. Aber auch jenen, die endlich einmal wissen wollen, wie man einen brauchbaren Ratgeber aufbaut, sei dieses Buch empfohlen.

Und sonst?

Natürlich gibt es noch mehr aktuelle und interessante Beratungsbücher. So kann man bedenkenlos Aktiv gegen oliv - Leitfaden für Kriegdienstverweigerung von Bernd Oberschachtsiek empfehlen, das im letzten Jahr aktualisiert und neu verlegt wurde. Außerdem gib es jede Menge Spezialratgeber für bestimmte KDV-Gruppen. So werden Totalverweigerer nicht an Totalverweigerung von Christian Herz vorbei kommen. Für Soldaten und Reservisten bietet sich Nicht mehr mit uns! an, das, obwohl es schon etwas älter ist, für diesen special interest Kreis kaum an Aktualität verloren hat.

Für begrenzte Spezialprobleme gibt es häufig in den KDV-Beratungsstellen Merkblätter und Broschüren, die meistens schneller aktualisiert werden als Bücher. So kann man in der Berliner Kampagne gegen Wehrpflicht interessantes Material über Musterungsverweigerung und Hinweise für Ausländer und Doppelstaatler erhalten. Der Studentenrat der TU Dresden verteilt eine Broschüre, die sich speziell mit KDV- und Einberufungsproblemen von Studenten befaßt. Interessante Unterlagen gibt es auch regelmäßig in den Beratungsstellen der DFG-VK sowie bei der Zentralstelle für Recht und Schutz der KDV in Bremen.

Stephan Scholz

Vorgestellte Bücher:

grüner Pin Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst/Harald Elbert und Klaus Fröbe. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1997; (Beck-Rechtsberater im dtv), ISBN 3-423-05234-1, 13,90 DM, 267 Seiten

grüner Pin Kriegsdienstverweigerung: Ein Ratgeber / IG Metall-Jugend und DFG-VK. Köln: Bund-Verlag, 1996; ISBN 3-7663-2540-X, 16,90 DM, 184 Seiten

grüner Pin Das Zivi-Kursbuch: Der Ratgeber für den Zivildienst / Erdmann; Ermert; Kittmann. Essen: Klartext-Verlag, 1997; ISBN 3-88474-245-0, 16,80 DM, 252 Seiten

Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 3/97 entnommen.