Aktuelle Repressionen gegen Totalverweigerer

Axel Weiß aus der Haft entlassen

Axel Weiss, seit 9. Dezember 1996 in Goettingen inhaftierter TKDVer, ist Ende Mai aus seiner Haft entlassen worden. Der 21jährige Student wurde bereits am 24. April letzten Jahres zu einer Haftstrafe wegen "Fahnenflucht" in Hoexter verurteilt. Bei der Berufungsverhandlung wurde dieses Urteil bestätigt und zudem in Jugendstrafe umgewandelt, was Axel die

Möglichkeit nahm, Revision zu beantragen. Anwalt Günter Werner aus Bremen sah hier einen "schwerwiegenden Missbrauch des Jugendstrafrechts" und legte deshalb Verfassungsbeschwerde ein, die jedoch ohne jegliche Begründung abgelehnt worden ist.

Axel hat in seinen Prozessen ausfuehrlich zu seiner Verweigerung Stellung bezogen und dargelegt, daß es in der BRD praktisch kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt, sondern lediglich ein Recht auf Waffendienstverweigerung. Der als "Zivildienst" bezeichnete Ersatzkriegsdienst sei in die Gesamtverteidigung mit eingebunden. Die Schlußfolgerung für einen konsequenten Antimilitaristen sei die Verweigerung jeglicher Kriegsdienste. Zwar wurde Axel seine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst vor Gericht anerkannt, doch veranlaßte dies den vorsitzenden Richter nicht, in seinem Urteil darauf einzugehen. Schon im Landgericht Paderborn kündigte der stellvertretene Leiter des Kreiswehrersatzamtes Hoexter an, den Studenten erneut zum Kriegsdienst einzuberufen, was dann auch zum 4. November tatsächlich geschah. Axel leistete auch dieser "Nachdienverfügung" keine Folge.

Während seiner Haftzeit wurde schließlich für den 31. März 1997 seine Entlassung aus der Bundeswehr verfügt. Zwar hatte Axel die Möglichkeit, im Rahmen des "offenen Vollzugs" ein Praktikum zu absolvieren und sein Studium fortzuführen, doch war diese Freiheitsstrafe ein hoher Preis für seine Gewissensentscheidung.

Bundesverfassungsgericht lehnt Einstweilige Anordnung von TKDVer ab

Das Bundesverfassungsgericht hat am 'Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer', dem 15. Mai 1997, den Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen den Haftantritt des Totalen Kriegsdienstverweigerers Heiko Thiele aus Celle abgelehnt. Thiele hatte einen Tag zuvor in Burgdorf eine siebenmonatige Haftstrafe antreten müssen, obwohl eine Verfassungsbeschwerde gegen das Strafurteil läuft.

Thiele war vom Landgericht Hildesheim wegen 'Fahnenflucht' zu der Freiheitsstrafe verurteilt worden. Richter Krause hatte die Nichtaussetzung zur Bewährung mit der Gefährdung 'Disziplin der Truppe' begründet, obwohl dem Totalverweigerer eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst attestiert wurde. Das Oberlandesgericht Celle hat die Revision gegen dieses Urteil als "offensichtlich unbegründet" verworfen. Nach der Einlegung der Verfassungsbeschwerde lehnte es der zuständige Staatsanwalt Hummelsiep ab, den Haftantritt bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufzuschieben. Daraufhin wurde durch Rechtsanwalt Günter Werner aus Bremen beim Verfassungsgericht eine einstweilige Anordnung beantragt, die Haft bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen. Dieser Antrag abgelehnt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen solche Anträge auf einstweilige Anordnungen gegen einen Haftantritt nur dann abgelehnt werden, wenn die Verfassungsbeschwerde entweder unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. An der Zulässigkeit der Beschwerde bestehen jedoch keine Zweifel. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht - allerdings bei Totalen Kriegsdienstverweigerern, die einen Antrag auf Anerkennung als KDVer gestellt hatten, um dann den Zivildienst zu verweigern - bereits in mehreren Fällen entschieden, daß bei einer festgestellten Gewissensentscheidung eines Totalverweigerers das sogenannte "Wohlwollensgebot" zur Geltung kommen muß.

Diesem Wohlwollensgebot entspricht das Urteil des Landgerichts Hildesheim jedoch nicht ansatzweise.

Die Ablehnung der einstweiligen Anordnung bedeutet, daß auch die Verfassungsbeschwerde selbst nicht zur Entscheidung angenommen werden wird. Damit, so Detlev Beutner von der Totalverweigerer-Initiative Braunschweig, die Thiele betreut, setze das Bundesverfassungsgericht seine "politische Tradition" fort, grundsätzlich keine Verfassungsbeschwerden von Totalverweigerern zur Entscheidung anzunehmen, wenn diese nicht zumindest einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt haben. Denn seit Bestehen des Bundesverfassungsgerichts wurde nicht eine Verfassungsbeschwerde eines Totalen Kriegsdienstverweigerers bei der Bundeswehr zur Entscheidung angenommen, obwohl gerade diese Totalverweigerer sowohl bei der Bundeswehr als auch im strafrechtlichen Bereich in weiten Teilen willkürlicher behandelt werden. Gleichzeitig existieren rund 10 angenommene und teilweise erfolgreiche Beschwerden im Bereich der Zivildienstverweigerung.

Sollte Thiele nach zwei Dritteln seiner Haftzeit vorzeitig entlassen werden, so würde er nach zweieinhalb Monaten wieder in Freiheit kommen, da die bei der Bundeswehr im Arrest verbrachte Zeit von zwei Monaten auf die Strafe angerechnet wird.

Seit Herbst 1995 wurden in Berlin, Hechingen und Paderborn Strafen von sechs Monaten ohne Bewährung rechtskräftig, in Hamburg gab es im Frühjahr 1996 eine Strafe von zehn Monaten ohne Bewährung gegen einen Kriegsdienstverweigerer.

 

Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 3/97 entnommen.