Die Diskussion um Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst war auch eine immer eine Diskussion um Zahlen. Tatsache ist, das am 10. April die ersten 340 Zivis zum Dienst einrückten, während 36 Jahre später im Frühjahr 1997 130.000 ZDL den sozialen Bereich unsicher machten. Eine Steigerung um das 382fache. Zum 31.12.95 führt das Bundesamt für den Zivildienst (BAZ) exakt 1.452.728 anerkannte Kriegsdienstverweigerer seit 1961 auf, die Gesamtzahl der Zivildienstleistenden hat zum jetzigen Zeitpunkt die 1,6 Millionen-Grenze überschritten.
Doch schon bei der KDV-Quote geht der Streit los. Während das Bundesministerium für Verteidigung eine KDV-Quote von derzeit knapp über 20 Prozent angibt, sagt die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer, das ein Drittel aller Zwangsdienstleistenden Zivis sind. Richtig ist, das 20 Prozent und mehr eines Jahrgangs gar nichts machen. Entweder weil sie ausgemustert werden, oder an den vielen Wehrdienstausnahmen teilhaben, die jedoch größtenteils nur für die Bundeswehr gelten. Wie anders als Wehrungerechtigkeit soll man es nennen, wenn bei der Bundewehr 18 Ausnahmen genanntsind, während vor dem Zivildienst nur der Tod oder das Pfarramt schützt.
Mit Zivildienst kann Geld verdient werden. Natürlich nicht als Zivi, sondern als Zivildienstbetreiber. Ein Zivi macht als Billigstlohnkraft oft die Arbeit einer hauptamtlichen Kraft, kostet aber meist nur ein Fünftel. Möglichen machen es der lächerlich geringe Sold, Zuschüsse durch das Bundesamt, sowie trickreiche Abrechungen mit Kostenträgern im sozialen Bereich. Seit die Sozialkonzerne wie Rotes Kreuz, Diakonisches Werk, Caritas, Arbeiterwohlfahrt oder Paritätischer Wohlfahrtsverband das spitz gekriegt haben, haben sie den Zivildienstbetreibermarkt unter sich aufgeteilt. Derzeit teilen sich diese fünf Großbetreiber 66,5 Prozent der Zivis auf, allein Diakonisches Werk, Parit. Wohlfahrtserband und Caritas halten 56 Prozent, das heißt, sie beschäftigen fast 73.000 der derzeitigen Zivis. Dem Staat kommt das entgegen, weil mit dieser Konzentration eine Gleichschaltung der Zivildienststellen einher ging. 1961 wurde die erste ZD-Stelle beim Friedensdienst EIRENE eingerichtet, heute haben solche Stellen keine Chancen mehr. Mit dem Argument der geforderten sogenannten "politischen Neutralität" werden seit Jahren Stellen im Bereich der Friedensarbeit oder dem tatsächlichen Umweltschutz abgelehnt. Die Zahl der freien Träger, die zu Beginn des Zivildienstes noch einen wesentlichen Teil ausmachte, ist seitdem kontinuierlich auf 20 Prozent zurückgegangen.
Auch bei den Tätigkeitsfeldern dominiert die Normierung. 50 Prozent der Zivis sind im Pflegebereich eingesetzt. Danach folgen handwerkliche Tätigkeit (13%) und der 1989 geschaffene Mobile Soziale Hilfdienst (10,2 %), in dem fast ausschließlich Zivis beschäftigt sind. Dagegen sind die Jobs in der Verwaltung von 1981 12,3 Prozent auf ein Prozent 1996 zurückgegangen. Auch der Umweltschutzbereich, der sich zu 90 Prozent ohnehin nur auf das Zusammenfegen von Blättern und das Einsammeln von Papierschnipseln reduziert, ist mit einem Anteil von 3,5 Prozent bescheiden geblieben. Immerhin, seit fünf Jahren gibt es auch eine Spitzensportförderung für Athleten, die nicht bei der Bundewehr verblöden. 98 Cracks nehmen diese zur Zeit in Anspruch.
Matthias Kittmann
Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 3/97 entnommen.