Ungefähr zehn der fest zugesagten Prunkwagen und -bilder erschienen nicht am vereinbarten Treffpunkt. Noch vor Beginn des Umzuges nahm die Polizei die gesamte Führungsspitze der Kreuzberger Ulkpartei KPD/RZ (Kreuzberger Patriotische Demokraten Realistisches Zentrum) fest. Die war, wie es sich bei einer ordentlichen Parade gehört, mit Kampfwagen, Uniformen und (dummerweise) Waffenattrappen angerückt, so daß die Polizei nicht einmal nach einem Vorwand suchen mußte, die Genossen Kämpfer aus dem Verkehr zu ziehen.
Neben der Schlappen bei der Teilnehmerzahl und der mangelnden Zuverlässigkeit der gemeldeten Wagen scheint es jetzt auch finanzielle Probleme zu geben. Viele der zugesagten Gelder sind bisher nicht auf dem AMOK-Konto eingegangen. Da sich einige Organisatoren im Vertrauen auf die Geldgeber privat verschuldeten oder für größere Beträge gebürgt haben, ist das besonders bitter.
Die Parade selbst war anders als ihr Anspruch wenig lustig. Einige originelle Bilder und Wagen waren dabei, aber insgesamt blieb der Spaß bei der Demo aus. Dafür traten bei Abschlußkundgebung über vier Stunden Kabarettisten und Bands gleichberechtigt in Erscheinung, so daß man sich trotz des kalten Regenwetters gut amüsieren konnte.
In der Nacht zum dritten Oktober hatte AMOK auf seiner Wunschstrecke - der Straßen unter den Linden - um Mitternacht einen Gespensterumzug organisiert. Dieser war nur aus Trotz angemeldet worden, da die Strecke wie schon 1996 an das kommerzielle Deutschlandfest vergeben wurde. Eigentlich hatte keiner damit gerechnet, daß AMOK die Erlaubnis erhalten würde, aber manchmal geschehen noch Zeichen und Wunder. Trotz Nieselregens und Kälte trafen sich immerhin 350 Gespenster gegen Mitternacht am Brandenburger Tor und zogen von dort zur Neuen Wache. Die Polizei war in gleicher Stärke vertreten, hielt sich aber dezent im Hintergrund.
Bei der Vorbereitung des Umzuges der "Gespenster des Militarismus" hatte die Polizei erhebliche Sicherheitsbedenken angemeldet und versucht, die Umzug durch Schikanen zu verhindern. Den Veranstaltern wurde die Mitnahme eines Lautsprecherwagens verboten. Außerdem wurde ihnen mit erheblichen Restaurierungskosten gedroht, falls sich nach dem Umzug am Brandenburger Tor auch nur eine Schramme oder ein Graffito finden lassen würde.
Die eigentlich seriöse Berliner Zeitung hatte nicht besseres zu tun, als über AMOK und den Gespensterumzug im Zusammenhang mit Krawallen zu berichten. Das die AMOK-Teilnehmer nichts mit den Krawallen zu tun hatten (wie auch die Polizei bestätigte), erfuhren die Leser nur in einem Halbsatz.
Stephan Scholz
Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 4/97 entnommen.