USA macht böse Mi(e)ne zum guten Spiel

Friedensnobelpreis für Minengegner - Amis boykottieren Antiminenabkommen

Nein, tilt reiht sich jetzt nicht in die Gruppe der Magazine ein, die Diana-Schlagzeilen machen (warum eigentlich nicht, ich fand Lady Di cool, Anm. des Co-Autors). Aber ein bißchen war der Friedensnobelpreis für die Internationale Kampagne gegen Minen auch ein Nobelpreis für die ehemalige Kindergärtnerin. Hätte sie sich nicht gegen Minen eingesetzt und hätte sie nicht kurz zuvor das Zeitliche gesegnet, wäre der Friedensnobelpreis 1997 wohl kaum an eine Organisation gegangen, die den Herrschenden und Waffenproduzierenden dieser Welt schon lange auf den Wecker fällt. Allerdings - um in der militärischen Sprache zu bleiben - die Schlacht ist noch lange nicht gewonnen.

Begründung des noblen Komitees: Die Organisation und ihre Sprecherin Jody Williams habe in erheblichen Maße zu dem jetzt vereinbarten Verbot von Antipersonenminen beigetragen.

Weltweit sind nach Schätzungen der UNO mehr als 100 Millionen Minen verbuddelt. Jährlich verstümmeln oder töten sie mehr als 25 000 Menschen. Alle 20 Minuten tritt ein Mensch irgendwo auf der Welt auf eine Anti-Personen-Mine.

Die Kampagne dagegen wurde 1991 von amerikanischen Vietnam-Veteranen und der deutschen Hilfsorganisation medico international ins Leben gerufen. Oder noch präziser: Von einem amerikanischen Kriegskrüppel und eine Dritte-Welt-Helfer aus Deutschland. 1993 waren es bereits 40 Organisatonen, die ihrem Zusammenschluß den Namen "International Campaign to ban Landmines" gaben. Inzwischen tragen 1000 Gruppen aus 55 Ländern die Kampagne mit. In Deutschland sammelte der Initiativkreis 1996 eine halbe Million Unterschriften gegen Landminen, und in Großbritannien konnte die Organisation Lady Diana als Unterstützerin gewinnen. Auch der weitgehende Erfolg der jüngsten Anti-Minen-Konferenz in Oslo ist letztlich der Kampagne geschuldet, die zu der Konferenz auch eine Beobachterin mit vollem Rederecht entsandte.

Thomas Gebauer von medico internatinal forderte die deutsche Bundesregierung anläßlich der Nobelpreisverleihung auf, im Verteidigungshaushalt für Minen vorgesehenen Gelder humanitären Minen-Aktionsprogrammen zur Verfügung zu stellen. Denn trotz aller vollmundiger Versprechen werden bisher gerade mal 13 Millionen Mark fürs Räumen ausgegeben, jedoch allein 100 Millionen in die Entwicklung und Beschaffung neuer Minentechnologien investiert.

Der Nobelpreis ist nicht nur ein Nobelpreis für die Kampagne - er sollte auch von den vielen Graswurzel-Organisationen als Ansporn betrachtet werden, daß selbst kleine NGOs etwas erreichen können, wenn sie es richtig anfangen.

Und auch die Nobelpreisvergabe zeigt Wirkung: Rußland will im Gegensatz zur USA dem Anti-Personenminen-Abkommen beitreten. Präsident Jelzin gab das kurz nach der Verleihung des Nobelpreises bekannt.

Die USA haben dagegen in Oslo versucht, um eine Unterzeichnung des Abkommens herumzulavieren. Zunächst wollten sie das Abkommen für die nächsten neun Jahre nicht umsetzen müssen; dann wieder bemühten sie sich um eine Ausnahme für die Grenze zwischen Nord- und Südkorea, denn Südkorea könne sich nicht ohne Anti-Personen-Minen verteidigen. Schließlich einigten sich in Oslo 88 Staaten auf ein internationales Verbot von Anti-Personen-Minen. Anti-Personen-Minen dürfen von diesen Ländern niemals und unter keinen Umständen verwendet, entwickelt, produziert, erworben, gelagert oder weitergegeben werden. Die USA machen nicht mit. Präsident Clinton: "Es gibt eine Linie, die ich nicht überschreiten kann, und das ist die Sicherheit unserer Soldaten." In Korea, so Clinton, hätten die 37 000 US-Soldaten im Falle eines Angriffs der eine Million Mann starken nordkoreanischen Streitkräfte ohne Minen keine Chance. Motto: Minen - nein danke. Es sei denn, sie nützen uns was.

Doch es ist eine Mär, daß nun in Deutschland, das dem Abkommen beigetreten ist, keine Minen mehr gebaut werden. Nur eben keine Antipersonenminen eben. Jetzt heißen diese verhängnisvollen "stummen Soldaten" anders. Zum Beispiel Panzerabwehrrichtmine. Die PARM ist der neuste Verkaufsschlager aus dem Hause Daimler-Benz in Zusammenarbeit mit dem französischen Konzern Thomson. Eine sogenannte intelligente Mine und - im Gegensatz zur A-Klasse - eine, die nicht kippt. Denn PARM steht auf drei Beinen und soll nach Herstellerangaben feindliche Panzer automatisch orten und abschießen können. 10 000 Stück mit einem Auftragswert von 120 Millionen Mark sollen nach Informationen des Rüstungsinformationsbüros (FIB) von der Daimler-Tochter DASA produziert und bis 1998 allein an die Bundeswehr ausgeliefert werden.

Daimler-Benz, der Konzern, der nach dem Leiter des Planungsstabes, Hartmut Schick, "Landminen genau so verachtet wie jeder", hält PARM hingegen nicht im entferntesten für eine Landmine, sondern für "eine automatisierte Panzerfaust. Eine Panzerfaust ist ein Flugkörper, der früher von Soldaten abgefeuert wurde, jetzt von einem Dreibein abgeschossen wird – und der während des Kampfgeschehens und nur dann eine Fläche für Panzer unpassierbar macht." Eine semantische Glanzleistung, nach der auch traditionelle Landminen defininiert werden könnten: Denn Landminen sind nichts anderes als automatisierte Handgranaten, die früher von Soldaten geworfen werden mußten.

Die Definition der Vereinten Nationen zum Thema Landminen ist glücklicherweise eindeutig: "Landmine meint eine Munition, die unter, auf oder nahe des Erdbodens plaziert und so konstruiert wird, daß sie durch die Gegenwart, Nähe oder den Kontakt eines Menschen oder eines Fahrzeuges explodiert." Es besteht also kein Zweifel, daß PARM als Landmine einzuordnen ist.

Gleichwohl behaupten Schick und die französischen Partner, daß von PARM keine Gefahr für die Zivilbevölkerung ausgehe, da die Mine "auschließlich während des Krieges eingesetzt und anschließend wieder aufgeräumt wird". Das ist ja bekanntlich das schöne an einem Krieg, daß hinterher alles wieder ordentlich aufgeräumt wird. Aber PARM ist ja "intelligent" und deshalb kann sie mit scharfem Auge auch einen Panzer von einem Schulbus unterscheiden.

Ein anderer Typ der neuen Minengeneration, die vom Rüstungskonzern Rheinmetall für die Bundeswehr gebaut wird, ist die sogenannte Flächenverteidigungsmine (FVMi). Ihr Job ist es, eine Fläche im Umkreis von 160 Metern zu "kontrollieren" und auch die darin aufgestellten PARM-Minen und was es da sonst noch an tödlichen Brüdern und Schwestern gibt, zu "schützen". Wird die Mine entsprechend programmiert, so "weckt" ein Räumfahrzeug, ein Panzer oder ein Schulbaus die Sensoren der Mine und die FVMi schießt ihre Munition auf das geortete Ziel. Das Verteidigungsministerium behauptet, daß die "Bundeswehr auch in Zukunft Minen benötigt, die gegen Panzer gerichtet sind." Nun sind wir zwar von Arbeitslosigkeit, Armut und militärischen Hohlköpfen bedroht, aber sicher nicht von auf uns zurollenden Panzerverbänden. So geht es bei diesem Projekt erst einmal um eines: Das Sponsoring eines Rüstungskonzerns mit Steuermitteln. Schon 1996 wurden für FVMi 26 Millionen Mark ausgegeben, insgesamt sollen bis zum Jahr 2000 Entwicklungskosten von über 300 Millionen Mark anfallen. Für die Beschaffung des High-Tech-Minensystems hat das Finanzministerium 700 Millionen Mark eingeplant, berichtet die Kampagne "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen" aus Wiesbaden.

Selbst an dem Räumen der Minen verdienen die Minenproduzenten noch einmal kräftig mit. Der Markt ist heiß - es winken kräftige Gewinne. Zwar wollten UNO und EU verhindern, daß Firmen, die die tödlichen Waffen produziert haben, noch ein zweites Mal daran verdienen, doch dies geschieht längst: Die Europäische Union vergab kürzlich 20 Millionen

Mark an die Daimler-Tochter Dornier, berichtet medico international. Der Auftrag: Durchführung einer Machbarkeitsstudie zur Entwicklung von High-Tech-Verfahren zur Minenortung - allesamt Sachen, die auch militärisch nutzbar und für die Weiterentwicklung von Minen und ähnlichen Waffen bestens geeignet sind. Zudem sind sich die Experten darin einig, daß schwere Minenräumpanzer nur begrenzt nutzbar sind - auf Straßen und ebenen Flächen. So dienen die Aufträge für solches Gerät nur der Subventionierung dieser Unternehmen.

So anachronistisch es anmutet: "Nur das mühsame Räumen per Hand erlaubt eine sichere Freigabe entminter Flächen für die Landwirtschaft und die Rücksiedlung von Flüchtlingen", schreibt medico in ihrem newsletter. Zudem schaffen regionale Minenräumprogramme Arbeitsplätze in den Räumungsteams, die auf die Ortskenntnisse der lokalen Bevölkerung angewiesen sind. Statt also die Todesproduzenten ein weiteres Mal zu finanzieren, fordert medico, daß die Rüstungsproduzenten selbst für die Finanzierung der Räumung aufkommen sollen

Jan Kiemein / Matthias Kittmann

 

Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 4/97 entnommen.