TKDV light für Profifußballer zum Nulltarif?
Wie man als Verteidig(-weiger)er das BAZ geschickt umdribbelt
Ralf Keidel ist 20 Jahre alt. Er ist defensiver Fußballspieler
und auch Kriegsdienstverweigerer. Aber das Gewissen stand der ledertreterischen Karriere
im Weg - und da machte er einen gewissen-haften Rückzieher. Und das kam so: Der Mann
kickte eigentlich beim FC Schweinfurt in der Bayernliga, wurde von einem Talentsucher
entdeckt und sollte beim englischen Vizemeister Newcastle United mitspielen. Ein
20-Monate-Profi-Vertrag sollt ihm 450 000 Mark bringen. Problem: Keidel spielt statt
Fußball seit Juli den Zivi vom Dienst beim Malteser-Hilfsdienst in Würzburg. Im November
sollte sein Profivertrag in Newcastle anlaufen. Er drang auf seine Freistellung; das BAZ
mochte aber keine "besondere Härte" entdecken. Aus der Traum vom
Fußball-Märchen? Bei weitem nicht. Der Präsident des FC Schweinfurt, die örtliche CSU
und der christsoziale Bundestagsabgeordnete und Landesgruppenchef Michael Glos machten den
Herren vom Bundesamt für den Zivildienst in Köln derart Dampf, daß sie den talentierten
Fußballer nun doch ziehen lassen müssen. Der Trick: Keidel hatte den Wegfall seiner
Gewissensgründe geltend gemacht und muß deshalb aus dem Zivildienst entlassen werden.
Zum Bund muß er deshalb aber noch lange nicht, weil die Herren der Hardthöhe ihn vom
Dienst zurückgestellt haben. So einfach geht das also: verweigern, Zivildienst anfangen,
KDV zurückziehen, zurückstellen lassen. Totalverweigerung light zum Nulltarif? Na ja
ganz so einfach geht das wohl doch nicht. Es sei denn, man hat den
Landesgruppenchef der CSU auf seiner Seite.
Jan Kiemein
Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 4/97 entnommen.