Für Nikos Pulos vom griechischen Verband der Kriegsdienstverweigerer ist das Gesetz ein "echter Skandal", der symptomatisch sei für das krankhafte Verständnis im Umgang mit Menschenrechten in Griechenland. Mit dem Gesetz 2510/97 soll angeblich das Problem der Wehrflucht und der Kriegsdienstverweigerung gelöst werden. Derzeit befinden sich über 30 000 sogenannte "Anypotakti" (Verweigerer der Einberufung) auf der Flucht vor dem Wehrdienst im Ausland.
Denen wird zwar eine Teilamnestie in Form einer "Ablösesumme" von 2000 bis 12 000 Mark eingeräumt, das Recht auf KDV "aber weiter mit Füßen getreten", sagt der KDV-Aktive Pulos, der zur Zeit in Berlin lebt. Das beginnt mit den Gewissengründen, die möglichst auf religiösen Grunden basieren sollten. Nicht anerkannt werden Personen, die bereits einen Dienst mit der Waffe angetreten haben. Auch wer einen Waffenschein besitzt (wie etwa die 300 000 Jäger im Lande), wird vom Zivildienst ausgeschlossen.
Zudem weiß man, was man davon zu halten hat, wenn zwei der fünf Gewissens-TÜV-Kommissionsmitglieder hochrangige Armeeoffiziere sind. Wer seinen Zivildienst nicht fristgemäß antritt, wird nicht nur per Militärstrafrecht verfolgt, sondern verliert auch seine Anerkennung als KDVer. Der waffenlose Dienst muß grundsätzlich außerhalb der Großstädte Athen und Thessaloniki und fern der Heimat in staatlichen Einrichtungen abgeleistet werden.
Noch ist schwer einzuschätzen, ob und wann es den ersten Zivildienstleistenden in Griechenland geben wird, weil noch keinerlei Anerkennungs- und Durchführungsmodalitäten festgelegt sind. Auch ist die Haltung der bisherigen und künftigen KDVer ungewiß. Das Informationsbüro für Wehrflüchtige und Kriegsdienstverweigerer hat das Gesetz bereits abgelehnt und zur Totalverweigerung aufgerufen. Der Verband der KDVer hat sich Mitte Oktober diesem Aufruf angeschlossen.
Matthias Kittmann
Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 4/97 entnommen.