Ares schlägt Eirene

Trotz Zivildienstgesetzes: Griechenland bleibt hartes Pflaster für Kriegsdienstverweigerer

Souvlaki, Samos und Sirtaki sind ja ganz nett, doch wenn es um Menschenrechte geht, ist mit der südländischen Lockerheit des griechischen Staates schnell Schluß. Oder anders gesagt: Die Lockerheit im Umgang mit dem Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung ist in Griechenland ein fortwährender Skandal. Daran ändert auch nicht die Verabschiedung eines am 5. Juni 1997 verabschiedeten Zivildienstgesetzes, das am 1. Januar 1998 in Kraft treten soll. Es sieht unter anderem einen Zivildienst vor, der drei Jahre und damit doppelt so lange wie der Militärdienst dauern soll.

Für Nikos Pulos vom griechischen Verband der Kriegsdienstverweigerer ist das Gesetz ein "echter Skandal", der symptomatisch sei für das krankhafte Verständnis im Umgang mit Menschenrechten in Griechenland. Mit dem Gesetz 2510/97 soll angeblich das Problem der Wehrflucht und der Kriegsdienstverweigerung gelöst werden. Derzeit befinden sich über 30 000 sogenannte "Anypotakti" (Verweigerer der Einberufung) auf der Flucht vor dem Wehrdienst im Ausland.

Denen wird zwar eine Teilamnestie in Form einer "Ablösesumme" von 2000 bis 12 000 Mark eingeräumt, das Recht auf KDV "aber weiter mit Füßen getreten", sagt der KDV-Aktive Pulos, der zur Zeit in Berlin lebt. Das beginnt mit den Gewissengründen, die möglichst auf religiösen Grunden basieren sollten. Nicht anerkannt werden Personen, die bereits einen Dienst mit der Waffe angetreten haben. Auch wer einen Waffenschein besitzt (wie etwa die 300 000 Jäger im Lande), wird vom Zivildienst ausgeschlossen.

Zudem weiß man, was man davon zu halten hat, wenn zwei der fünf Gewissens-TÜV-Kommissionsmitglieder hochrangige Armeeoffiziere sind. Wer seinen Zivildienst nicht fristgemäß antritt, wird nicht nur per Militärstrafrecht verfolgt, sondern verliert auch seine Anerkennung als KDVer. Der waffenlose Dienst muß grundsätzlich außerhalb der Großstädte Athen und Thessaloniki und fern der Heimat in staatlichen Einrichtungen abgeleistet werden.

KDV-Recht als Außenpolitik

Ein fauler Kompromiß, der jedoch kein Zufall sei, erläutert Niko Pulos. Mit der Ratifizierung des Schengener Abkommens und dem allmählichen Wegfall der Grenzkontrollen zwischen EU-Staaten fürchtet Griechenland um sein bisher gut funktionierendes Druckmittel gegen Wehrpflichtexilanten wie Ausreiseverbote und Beschlagnahmung von Reisepässen. Von einem Umdenken in Sachen KDV könne da keine Rede sein. Vielmehr habe die griechische Regierung auf den zunehmenden Druck der europäischen Partner reagiert, die ihr schwarzes KDV-Schaf mehrfach aufgefordert hatten, Artikel 4 der Entschließung des Europaparlaments, wonach alle inhaftierten Kriegsdienstweigerer freizulassen sind, umzusetzen und endlich ein KDV-Recht zu schaffen. So ist denn auch in den Augen des offiziellen Griechenlands die Angst vor außenpolitischen Nachteilen der einzige Sinn des KDV-Gesetzes.

Noch ist schwer einzuschätzen, ob und wann es den ersten Zivildienstleistenden in Griechenland geben wird, weil noch keinerlei Anerkennungs- und Durchführungsmodalitäten festgelegt sind. Auch ist die Haltung der bisherigen und künftigen KDVer ungewiß. Das Informationsbüro für Wehrflüchtige und Kriegsdienstverweigerer hat das Gesetz bereits abgelehnt und zur Totalverweigerung aufgerufen. Der Verband der KDVer hat sich Mitte Oktober diesem Aufruf angeschlossen.

Matthias Kittmann

 

Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 4/97 entnommen.