Des Innenministers Zauberformel: Zivildienstleistende sollen als Aushilfe bei der Polizei Dienst tun. Erstens können dadurch die Polizisten wieder das machen, wofür sie eigentlich eingestellt sind und wonach das deutsche Volk aus ganzem Herzen schreit: Nämlich mit der Knarre in der Hand auf deutschen Straßen wieder für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Zweitens bekommt man disziplinierte Zivildienstleistende, die einen Beitrag zu law and order leisten und nicht mehr auf dumme Gedanken kommen. Blödes Geschwätz, finden Sie? Na, dann hören Sie doch erst mal, was der Scheff der Polizeigewerkschaft, Hermann Lutz, dazu sagt: In diesem sensiblen Bereich, meint er, gebe es keine "Routinearbeiten". "Jahrzehntelang haben wir uns jetzt bemüht, daß die Polizei auf ein gutes intellektuelles Niveau kommt. Das erhält man sich nur mit einer gründlichen Ausbildung."
Klartext: Zivis sind zu blöd, um Arbeiten zu verrichten, die Polizisten normalerweise machen. Chuzpe, vor allem, wenn man bedenkt, daß Polizisten bis vor ein paar Jahren eine Leiche lieber zur Post schleppten, als auf einem Formular als Tatort "Gymnasium" richtig schreiben zu müssen.
Lutz weiter: Die Polizei sei kein Taubenschlag, in dem jeder für ein paar Monate Einsicht etwa mit Ermittlungsakten nehmen könne. Noch dazu, weil die "jeder Kriminelle fürn Appel und n Ei anzapfen" kann. Klartext: Zivis sind Verbrecher und obendrein bestechlich.
Lutz, schließlich: "Ich möchte die Schlagzeilen nicht sehen, die es gäbe, wenn einer dieser Hilfspolizisten, wenn er Schulkinder begleitet, den Hitlergruß macht." Klartext: Zivis sind Nazis (reimt sich ja auch).
Lutz, endlich: "Stellen Sie sich vor, die (die Zivis, d. red.) kommen zusammen mit Polizeibeamten in einer Konfliktsituation und reagieren dann aus falsch verstandener Solidarität falsch. Nein, danke für solche Hilfe."
Klartext: Zivis sind Killer.
Lieber Herr Lutz: Wir sind ja nun auch gegen Zivis bei den Cops. Aber doch bitte nicht mit solchen Argumenten. Nein danke für solche Hilfe.
Dieter Hackler, Bundesbeauftragter für den Zivildienst, schließt nicht aus, daß Zivis in Einzelfällen der Polizei zur Hand gehen. Allerdings 1. nicht mit der Waffe und 2. arbeitsmarktneutral. Ein Einsatz in der Verwaltung oder gar in der Strafverfolgung käme daher nicht in Frage, wohl dagegen zum Beispiel in der Sozialarbeit für die Drogenszene. Sogar das Tragen einer Uniform hält Hackler für Zivibullen (das Wort gewinnt da ein völlig neues, eher gegensätzliches Konnotat) für denkbar: "Beim Rettungsdienst tragen die Zivildienstleistenden auch einheitliche Kleidung." Und auch Niedersachsens Innenminister Glogowski (SPD!), sagt, er könnte sich Zivildienstleistende bei der Polizei für Schreib- und Reparaturarbeiten vorstellen. Wir hätten, ehrlich gesagt, auch nicht damit gerechnet, daß den Zivis jemand Schlagstock, MP, Verkehrsregelungskelle und Alkomat anvertraut. Schade eigentlich. Was könnte man da für einen wunderschönen Unfug mit anstellen.
Aber mal ganz im übrigen: Demnächst kommt dann einer her (sagen wir mal, Volker Rühe) und meint, Zivis könnten bei der Bundeswehr Schreibarbeiten erledigen, um die Mannen für den Verteidigungsauftrag zu entlasten. Eigentlich nur logisch.
Jan Kiemein
Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 4/97 entnommen.