Zudem hat mit dem Entscheid zur Abschaffung der Wehrpflicht das Medieninteresse an der Kriegsdienst- und Totalverweigerung stark nachgelassen. Rafael Ajangiz von der baskischen MOC berichtet, wie die Bewegung damit umgeht und welche strategischen Ziele sie in Zukunft verfolgt.
"Insumision" heißt wörtlich übersetzt (ziviler) "Ungehorsam". Genau das war die Strategie der Bewegung seit dem Gründungsdatum 1977: Die Wehrdienstverweigerer kämpften mittels zivilem Ungehorsam sowohl gegen den Militär- wie auch den Ersatzdienst. Die Geschichte der spanischen Totalverweigerung ist in tilt schon mehrfach dargestellt worden, deshalb nur kurz ein Rückblick auf den "spanischen Sonderweg". Zwei historische Komponenten spielen dabei eine Rolle. Zum einen: Die Wehrpflicht war im Post-Franco-Spanien nie sonderlich beliebt, bestenfalls wurde sie als etwas unvermeidliches angesehen. Gleichzeitig erfreut sich ziviler Ungehorsam in Spanien größter Beliebtheit. Dinge, die einem nicht passen, werden einfach ignoriert - oder bekämpft. So begegnet die Bevölkerung der konservativen Hierarchie der katholischen Kirche mit Ungehorsam, die Leute verweigern sich der Autobahnsteuer und im Baskenland den spanischen Institutionen. Zum zweiten - und das begünstigt diese Haltung, verglichen mit Deutschland oder der Schweiz - sieht sich der spanische Staat nicht in der Lage, seine Vorhaben und Gesetze auch wirklich durchzusetzen. So war die Regierung nach der Einführung eines Zivildienstes 1989 außerstande, diesen auch zu organisieren, weil Stellen, die die Zivis hätten aufnehmen sollen, sich weigerten, dies zu tun. Dieses Chaos hat letztendlich dazu geführt, daß viele Verweigerer dies als Chance begriffen, dem Dienst ganz zu entgehen.
tilt
Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 4/97 entnommen.