Türkische KDVer werden nicht abgeschoben

Klare Worte am Rande der "KDV in Europa"-Tagung bei Osnabrück

In Europa ist zwar der Grad der zulässigen Bananenkrümmung harmonisiert, nicht aber der Umgang mit dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Wie mit KDVern umgesprungen werde, sei "teilweise beschämend", monierte Ulrich Finckh, Vorsitzender der Zentralstelle KDV, bei der Fachtagung "Kriegsdienstverweigerung in Europa" am 17./18. Oktober in Georgsmarienhütte (Osnabrück). Das ist für tilt-Leser zwar nichts Neues, doch auf der Tagung gab‘s auch neue Informationen zur Situation von KDVern in vielen Länder. tilt gibt einen Überblick über die Tagung und die Situation von Kriegsdienstverweigerern in der Schweiz, in Spanien und in Griechenland.

Die gute Nachricht zu Beginn der Podiumsdiskussion kam so en passant daher, daß es die meisten Teilnehmer der Tagung zunächst gar nicht mitbekamen: "Die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern in der Türkei ist ein Abschiebehindernis", sagte Wolfgang Gerz. Der Mann ist nicht irgendwer, als Leiter des Arbeitsstabes "Menschenrechte" im Auswärtigen Amt hat sein Wort durchaus Gewicht. Er hatte damit auf die Frage geantwortet, was denn die Bundesregierung täte, wenn sie von der Türkei um die Auslieferung eines verurteilten Kriegsdienstverweigerers gebeten würde. Zwar ist das Verfolgt-Sein als KDVer nach wie kein Asylgrund, doch eines ist damit auch klar: Türkische Kriegsdienstverweigerer werden wegen des fehlenden Rechts auf KDV in der Türkei einstweilen in Deutschland geduldet. Mehr konnte man von dem guten Mann nicht erwarten, der zudem betonte, für Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen von Nicht-Regierungs-Organisationen dankbar zu sein.

Böses Spiel mit Osman Murat Ülke

Wie rüde die Türkei mit Leuten umspringt, die das Menschenrecht auf KDV (und andere Rechte) einfordern, zeigt ganz aktuell Osman Murat Ülke. Wäre der Fall nicht so traurig, müßte man über das Hin und Her fast lachen, auch wenn dazu nun wirklich kein Anlaß besteht. Am 4. November wurde Osman Murat Ülke seit 1995 zum mittlerweile vierten Mal inhaftiert. Das Militärgericht in Eskisehir verurteilte ihn wegen fortgesetzter Desertion zu zehn Monaten Gefängnis, obwohl Osman bereits durch seine Untersuchungshaft die Strafe verbüßt hatte. Seiner Anwältin Hülya Ücpinar wurde der Zugang zum Gericht verwehrt, weil sie sich gegen die rechtswidrige Durchsuchung ihrer Verteidigungsunterlagen gewehrt hatte. Auch einer Delegation aus Vertretern von DFG/VK und amnesty international wurde zur Verhandlung nicht zugelassen. Wie lange dieses "Spiel" noch weitergeht, ist nach diesen Vorfällen ungewiß.

"Ein Europa der Ethik" muß her

Auch Niedersachsens Justizministerin Heidrun Alm-Merk (SPD) war unter den prominenten Teilnehmern der Tagung. Sie forderte "nicht nur ein Europa der Wirtschaft, sondern auch ein Europa der Ethik." Auf die Frage, wie das denn zu bewerkstelligen sei, hatte sie auch eine Antwort parat: "Parlamente und Regierungen müssen mit diesem Thema permanent genervt werden." Einer, der das für das Europaparlament versprach, war der Europa-Abgeordnete Christof Tannert (SPD): "Ich muß gestehen, daß ich am Anfang nicht viel über die unterschiedliche Handhabe in den verschiedenen Ländern gewußt habe." Zwar könne das Europaparlament nur "verurteilen, auffordern und vorschlagen", aber Tannert will sich bei seinen "Kollegen dafür engagieren, daß das Recht auf KDV in den künftigen Beitrittsstaaten vor der Aufnahme umgesetzt wird und daß dieses Recht mit zu den Menschenrechtskriterien gehört, die die Beitrittsstaaten erfüllen müssen, um in die Europäische Union aufgenommen werden zu können." tilt ist gespannt.

Matthias Kittmann

 

Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 4/97 entnommen.