Die gute Nachricht zu Beginn der Podiumsdiskussion kam so en passant daher, daß es die meisten Teilnehmer der Tagung zunächst gar nicht mitbekamen: "Die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern in der Türkei ist ein Abschiebehindernis", sagte Wolfgang Gerz. Der Mann ist nicht irgendwer, als Leiter des Arbeitsstabes "Menschenrechte" im Auswärtigen Amt hat sein Wort durchaus Gewicht. Er hatte damit auf die Frage geantwortet, was denn die Bundesregierung täte, wenn sie von der Türkei um die Auslieferung eines verurteilten Kriegsdienstverweigerers gebeten würde. Zwar ist das Verfolgt-Sein als KDVer nach wie kein Asylgrund, doch eines ist damit auch klar: Türkische Kriegsdienstverweigerer werden wegen des fehlenden Rechts auf KDV in der Türkei einstweilen in Deutschland geduldet. Mehr konnte man von dem guten Mann nicht erwarten, der zudem betonte, für Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen von Nicht-Regierungs-Organisationen dankbar zu sein.
Auch Niedersachsens Justizministerin Heidrun Alm-Merk (SPD) war unter den prominenten Teilnehmern der Tagung. Sie forderte "nicht nur ein Europa der Wirtschaft, sondern auch ein Europa der Ethik." Auf die Frage, wie das denn zu bewerkstelligen sei, hatte sie auch eine Antwort parat: "Parlamente und Regierungen müssen mit diesem Thema permanent genervt werden." Einer, der das für das Europaparlament versprach, war der Europa-Abgeordnete Christof Tannert (SPD): "Ich muß gestehen, daß ich am Anfang nicht viel über die unterschiedliche Handhabe in den verschiedenen Ländern gewußt habe." Zwar könne das Europaparlament nur "verurteilen, auffordern und vorschlagen", aber Tannert will sich bei seinen "Kollegen dafür engagieren, daß das Recht auf KDV in den künftigen Beitrittsstaaten vor der Aufnahme umgesetzt wird und daß dieses Recht mit zu den Menschenrechtskriterien gehört, die die Beitrittsstaaten erfüllen müssen, um in die Europäische Union aufgenommen werden zu können." tilt ist gespannt.
Matthias Kittmann
Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 4/97 entnommen.