Zivilcourage in der Truppe hat Volker Rühe jüngst befohlen. Ein verzweifelter Schritt - es muß weit gekommen sein mit der Bundeswehr. Ist es auch. Werden wir doch fast täglich mit Nachrichten von braunen Umtrieben bei den Oliven konfrontiert. Selbst der Minister mußte zugeben, daß es »eine Menge wirklicher Idioten« in den Reihen seiner ehemals starken Truppe gibt. Ach, wenn es bloß einfache Idioten wären Der Vortrag von Neonazi Manfred Roeder vor der Führungsakademie der Bundeswehr ist da nur die Spitze eines Bergs typisch gefärbter Fäkalien.
Den, der da an der Eliteschmiede der Bundeswehr so fürstlich bewirtet wurde, hält sogar Volker Rühe für einen »Schwerstkriminellen« und »einen der übelsten Neonazis«. Richtig. Und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Der 68jährigen ehemalige Rechtsanwalt und seine Organisationen sind seit 20 Jahren Stammgäste im Verfassungsschutzbericht. Roeder leugnet jedes nationalsozialistische Unrecht, den Holocaust ebenso wie die Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg. Die Bundesrepublik ist für ihn einen »Judenstaat«.
1982 wurde Roeder als Rädelsführer der »Deutschen Aktionsgruppen« zu 13 Jahren Haft verurteilt. Er hat Sprengstoffanschläge auf Ausländerheime, Morde an Vietnamesen und Brandstiftungen angezettelt. Seit seiner Haftentlassung will er Ostpreußen »re-germanisieren«. Die Bundeswehr stellte ihm für dieses noble Ansinnen auch noch drei ausgemusterte Fahrzeuge kostenlos als »humanitäre Hilfe« zur Verfügung. Nicht nur, daß Roeder diese gleich wieder im Inland verkaufte auch anderen Organisationen wie dem »Aufbau Bernsteinland Ostpreußen« oder dem »Kameradenwerk Korps Steiner«, einer Nachfolgeorganisation der Waffen-SS, wurden flugs mal zwei Bundeswehr-Lkw zu »humanitären Zwecken« vermacht.
Indes war das nicht der einzige Fall, wo die Bundeswehr-Eliteschmiede aus der demokratischen Reihe trat. Auch die rechtsradikale Studentenorganisation »Gruppe 146« war bei der Führungsakademie zu Gast. Ein Offiziersanwärter der Hochschule hatte bei einem Besuch der KZ-Gedenkstätte in Neuengamme gesagt: »Es ist so kalt, leg im Krematorium mal ein paar Juden nach, die brennen so gut.« 1994 hatte es bei der Führungsakademie ein Treffen von früheren Wehrmachtsangehörigen gegeben, an denen auch Mitglieder der Waffen-SS teilgenommen hatten. Rühe indes läßt sich nicht beirren: Er zweifle nicht am »guten Geist« der Akademie, die Roeder wahrscheinlich in Unkenntnis seiner Person eingeladen habe.
Bei der Bundeswehr in bayerischen Altenstadt »Hitlers Geburtstag« gefeiert mit Reichskriegsflagge und Adolf-lkonen. Die Männer hatten bei Saufgelagen das Horst-Wessel-Lied gesungen und sich an NS-Propagandafilmen delektiert. Sonstige Feiertage: Die Jahrestag des Weltkriegs-Beginns und die Invasion auf Kreta.
Volker Rühe zieht sich auf die Position zurück, die Bundeswehr sei ein Opfer der Neonazis, der Medien und der mangelnden Schulbildung im Osten. Er spricht von »Medienhysterie«, von »Gerüchtemachern« und »Provokateuren«, Generalinspekteur Bagger gar von »Denunzianten«. Ein CDU-Staatssekretär hat die Berichte über »rechtsradikale Episoden« als »gezielte Kampagnen« bezeichnet. Und ein Sprecher der Hardthöhe meinte, offenbar sei jetzt die Stunde der Denunzianten gekommen, die sich mit Behauptungen und Beschuldigungen in der Öffentlichkeit aufspielten. Aber Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung. Selbst Rühes Chef Kohl findet die Vorfälle in der Bundeswehr »inakzeptabel, manchmal ekelerregend«, glaubt jedoch nicht an eine Unterwanderung. Es dürfe nicht geduldet werden, daß »Verrückte oder Ideologen die Armee unserer Söhne« in Verruf brächten. So auch Rühe: Er werde es nicht zulassen, daß man die Bundeswehr »mit Dreck bewirft«.
Immerhin rückt der Verteidigungsminister jetzt von seiner überstrapazierten Einzelfallthese ab und fordert, wogegen er sich bisher immer gesträubt hat eine umfassende Untersuchung zum Thema »Nazis beim Bund«. 171 bekanntgewordene Fälle sind wohl doch kein Einzelfall mehr.
Daß Rechte eher zur Bundeswehr gehen, statt Zivildienst zu machen wozu Nazi-Organisationen auch gezielt aufrufen ist längst kein Geheimnis mehr. Folge der steigenden KDV-Zahlen: Die Rechten bleiben beim Bund unter sich, die soziale Kontrolle bleibt aus, und Faschismus als Gruppenphänomen, begünstigt vom autoritären Klima, hat hier ein Biotop. 20 Prozent der studierenden Offiziere in spe denken einer Studie zufolge national-konservativ; sechs Prozent sind ausgewiesene Rechtsradikale gewaltbereit, europa- und ausländerfeindlich. Mit anderen Worten: NPD-und DVU-kompatibel. Eine Rechten-Rate, die fünfmal so hoch liegt wie bei den zivilen Kommilitonen. Und das soll auch so bleiben. Die NPD, die auf ihrem Parteitag jüngst auch Manfred Roeder als Redner feierte, möchte sich mit Musterprozessen den Weg zur braunen Truppe freiklagen.
Auch Michael Kühnen war schließlich bei der Bundeswehr als Offizier und Absolvent der Bundeswehruniversität. Franz Schönhuber brüstet sich seiner guten Beziehungen zum Barras. Auf Gerhard Freys Kundenliste tummeln sich Soldaten. Und mit der Wiedervereinigungen sind nicht nur zusätzlich rechte Ossis auf die Bundeswehr losgelassen worden; man scheint auch im Wendeorgasmus mit allen Faschismus-Tabus gebrochen zu haben.
Wer das Ansehen der Bundeswehr verunglimpft, soll mit Gefängnis von bis zu drei Jahren bestraft werden, steht in einem Gesetzesentwurf, der seit eineinhalb Jahren auf Eis liegt. Nur gut, daß das Gesetz, ursprünglich gegen Pazifisten entwickelt, nicht verabschiedet wurde. Sonst müßten sich einige Herren bei der Bundeswehr warm anziehen.
Die Regierungskoalition will eine unabhängige Kommission die rechtsradikalen Vorfälle untersuchen lassen. Zudem fungierte der Verteidigungsausschuß nach dem Willen von SPD und Grünen eine Zeitlang als Untersuchungsausschuß in Sachen Rechtsextremismus. Ein Untersuchungsausschuß ausgerechnet im Wahljahr prima fürs Regierungsklima. Zum Glück tagt er unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Allerdings ist im Ausschuß der Bock qua Amt Gärtner. CSU-Verteidigungsausschuß-Chef Kurt Rossmanith, der damit auch dem U-Ausschuß vorsitzt, ließ jüngst noch anfragen, warum man denn nicht den Nazi-General Dietl als Kasernenpatenonkel behalten dürfe. Der Mann darf nach einem Urteil des Landgerichts Kempten straflos als »Nazi-Fan« bezeichnet werden und hatte Dietl »ein Vorbild in menschlichem und soldatischem Handeln« genannt.
Es soll nicht nur untersucht werden: Volker Rühe will das Wehrpflichtgesetz ändern, um rechte Rekruten künftig nicht mehr nehmen zu müssen. Obwohl die Auskünfte aus dem Strafregister, die Rühe will, so überflüssig sind wie ein Kropf. Ein Hinweis auf die (rechtsradikale) Motivation für eine Straftat fehlt darin nämlich.
Der MAD soll Vorfeldaufklärung unter den Neonazis betreiben sie sollen in Zukunft bei der Bundeswehr nicht mehr so rasch befördert werden.
Zudem gibt es in den Kasernen nun Ausstellungen über Rechtsradikalismus. Als Imagekampagne schweben Rühe 1998 »besonders viele öffentliche Gelöbnisse« vor. Krude Fackelaufmärsche mit Trommelklang und Fahnen-Brimborium, um den braunen Geist auszutreiben? Na ja. Um dem akuten Rechten-Überschuß bei der Bundeswehr zu begegnen, will er mit Inseraten in »Vorwärts« und »tageszeitung« auch Linke zur Truppe locken. Ob dieses Problem mit ein paar Umbenennungen à la »Che-Guevara-Kaserne« getan ist, steht allerdings sehr in Frage. Vor allem dann wenn Rühe fast zeitgleich verlauten läßt, die Reichskriegsflagge dürfe aus Gründen der Traditionspflege bei der Bundeswehr weiterhin herumhängen.
Thomas Schüsslin
Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 1/98 entnommen.