Starterlaubnis erteilt

Im Streit um den Eurofighter: Rüstungslobby gegen Vernunft 1 : 0

Der angekündigte »heiße Tanz« der Flugzeuggegner blieb aus. Der Bundestag gab in aller Ruhe die Starterlaubnis für den Eurofighter. In den Rüstungsschmieden knallten die Champagnerkorken. Der 30-Milliarden-Mark-Vogel wird in die Luft gehen und schluckt allein in diesem Jahr 847 Millionen Mark Steuermittel. Mit diesem Geld muß das Bildungsministerium zwei Jahre lang auskommen. Gleichzeitig mit der Zustimmung zu diesem Etat gab der Bundestag auch das grüne Licht zur Beschaffung von 180 Eurofightern zwischen 2002 und 2015.

Die SPD war unzufrieden. »Das Heer muß bluten, damit der Eurofighter vielleicht einmal fliegt«, meinte SPD-Verteidigungsexperte Walter Kolbow. Sicherheitspolitische Begründungen sei die Regierung schuldig geblieben, und außerdem könne sich dieses Land ein derart teures Flugzeug einfach nicht leisten. Volker Rühe war, wie erwartet, anderer Meinung: Man müsse gerüstet sein für die »Wechselfälle der Geschichte«. Wenn die Bundeswehr den Flieger nicht bräuchte, hätte sie ihn auch nicht bestellt.

Fast existenzphilosophisch wurde demgegenüber Verteidigungs-Staatssekretär Bernhard Wilz: »Es mag vieles für unsere Gesellschaft notwendig und wünschenswert sein. Aber neben der Gesundheit ist die Freiheit das höchste Gut. Mit der Freiheit sollte man nicht spielen.« Schöne Begründung für eine Waffe.

Wo Argumente derart verinnerlicht werden, muß vorher jemand eifrig Werbung gemacht haben. Der militärisch-industrielle Komplex hat den umstrittenen Vogel gegen massiven Widerstand in Politik und Öffentlichkeit durchgesetzt.

Inzwischen sind fast sieben Milliarden Mark nur für die Entwicklung des Fliegers ausgegeben worden. Roland Vogt von den Grünen hatte 1984 fast hellseherische Fähigkeiten an den Tag gelegt, als der Bundestag die ersten 180 Millionen Mark Entwicklungskosten bewilligen sollte: »Wenn der Bundestag diesem Haushalt zustimmt, erpreßt er sich selbst.« Richtig: Ist man erst mal 15 Jahre lang in die falsche Richtung gerannt, kann man nicht mehr so einfach zurück.

Noch 1992 hatte Volker Rühe verkündet: »Der Jäger ist tot.« Aber da hatte Rühes Vorgänger Wörner die Verträge schon so industriefreundlich festgezurrt, daß nur die Alternative »hohe Konventionalstrafen oder teure Weiterentwicklung des Konzepts« blieb. Rühe wollte daraufhin die abgespeckte Version des Fliegers für unter 100 Millionen Mark pro Stück durchsetzen. Inzwischen hat der Flieger aber wieder einen realistischen Stückpreis von 180 Millionen Mark, alles inclusive.

Die Wandlung vom Jäger 90 zum Eurofighter ist deshalb ebenso eine Fata Morgana wie die Sicherstellung von 20 000 Arbeitsplätzen, die immer wieder Rechtfertigung für den teuren Vogel genannt werden. In Wirklichkeit, hat der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Huffschmid ermittelt, sichert das Programm maximal 10 000 bis 12 000 Arbeitsplätze für die Dauer von zehn Jahren. Wohlgemerkt: sichert. Nicht schafft. Mit demselben Geld ließen auf anderen Gebieten wesentlich mehr Arbeitsplätze schaffen. Schaffen, nicht nur sichern.

Auch die anderen Eurofighter-Staaten sind vor der Rüstungslobby in die Knie gegangen. Vier Verteidigungsminister (der deutsche, der britische, der italienische und der spanische) unterzeichneten jetzt auf der Hardthöhe den Vertrag über die Serienfertigung des Fighters. Spanien hatte kurz zuvor dem Kauf von 87 Kampfflugzeugen zugestimmt. Insgesamt sollen es 620 Fighter werden. Das Vertragsvolumen beläuft sich auf 75 Milliarden Mark. Geld, das einer besseren Sache Wert wäre.

Thomas Schüsslin

Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 1/98 entnommen.