Der Zivildienst ist Mist - das ist nichts Neues. Die wenigsten wissen, worauf sie sich einlassen (»Was gibt es Schöneres, als anderen Menschen zu helfen?«) und nach kurzer Zeit ist die Ernüchterung groß (»Hoffentlich ist der Scheiß bald vorbei«). Da das aber jetzt auch statistisch erwiesen ist, dafür hat eine repräsentative Untersuchung einer Forschungsgruppe der Uni Hamburg über die Befindlichkeit der Zivis gesorgt.
Ergebnis: 25 000 der etwa 125 000 Zivis sind »äußerst unzufrieden«, 60 Prozent bemängeln die schlechte Einweisung durch die Dienststelle. Die Motivation nimmt gegen Ende des Dienstes rapide ab. Hauptbeschwerde: Autoritärer Führungsstil und Überlastung. Das Bundesamt für den Zivildienst mochte sich an der Studie nicht beteiligen, weil: So etwas gehöre nicht an die Öffentlichkeit.
Insgesamt 750 Fragebögen hat die Forschungs- und Entwicklungsgruppe Politische Psychologie an der Uni Hamburg (FEPP) Studie ausgewertet und außerdem offene Gespräche mit Zivis und Ex-Zivis geführt. Das Grundmuster der Unzufriedenheit war überall gleich. Schlechtes Essen, Vorgesetztenwillkür und die Erkenntnis, als billige Arbeitskräfte mißbraucht zu werden - diese drei Punkte ziehen sich wie ein roter Faden durch die Antworten. Ob angesichts dessen der Unzufriedenheitsgrad von 20 Prozent nicht noch relativ niedrig ist, darüber läßt sich streiten.
Zum einen sind bei diesem Fünftel die noch gar nicht berücksichtigt, die nur »teilweise unzufrieden« sind, zum anderen sind gerade Zivis für ihre überdurchschnittliche Opferbereitschaft bekannt: Sie suchen die Schuld an ihrem miesen Job erst einmal bei sich selbst.
»Die Sinn- und Erfahrungssuche macht die meisten Zivis zu geradezu idealen Mitarbeitern«, schreiben die Autoren der Studie in der evangelischen Zivizeitung »zivil«. Diese Motivation sorge dafür, daß auch psychosoziale und mitunter körperliche Anforderungen nicht direkt in Unzufriedenheit, Unwohlsein oder gar Krankmeldungen umschlagen. Diese Bereitschaft, vermeintlich etwas für andere Menschen tun, dabei aber letztlich nur ausgebeutet zu werden, ist mit einem hohen persönlichen Preis verbunden: Psychischer Streß, Krankheit, Abgrenzung, »Ausbrenn-Effekt« und - im äußersten Fall Selbstmord. Schon vor Jahren mußte das Ministerium einräumen, daß die Selbstmordrate unter Zivis höher ist als unter Wehrdienstleistenden. Tatsache ist, daß die Zivis mit ihren Problemen der Regel alleine sind. Von der Dienstelle können sie keine Hilfe, sondern nur disziplinarische Maßnahmen erwarten, der Regionalbetreuer fällt ihnen ebenfalls in den Rücken. Wenn sie sich nicht in Gruppen wie der SOdZDL organisiert haben, hilft ihnen so schnell niemand weiter - Familie und Freunden fehlt oft der Einblick in den Dienstalltag.
Soweit, so interessant die Hamburger Studie. Doch in ihrem sozialtherapeutischen Impetus verfallen die Autoren einem typischen 70er-Jahre-Fehler sie wollen den Zivildienst reformieren: »Regierung und Öffentlichkeit beeindruckt man nicht mit kurzen Feuerwerken; da muß man ausdauernd bohren«, und weiter: »Deshalb wird die FEPP Reformvorschläge ausarbeiten.«
Erstaunlich, was den Wissenschaftlern ein schwerer Denkfehler unterläuft. Einen Zwangsdienst, der per se als Jobkillingmaschine angelegt ist, reformieren zu wollen, gleicht der Quadratur des Kreises. Die einzige Reform des Zivildienstes kann nur seine Abschaffung sein.
Matthias Kittmann
Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 1/98 entnommen.