Aufklärungsarbeit von Nestbeschmutzern unerwünscht

Wie die Rüstungsexporte an den Irak vertuscht werden

Die deutschen Firmen waren diejenigen, die den irakischen Diktator Saddam Hussein mit Rüstungsgütern für die Produktion von Chemie- und Atomwaffen bestückten. Aber die Verfahren gegen die Schuldigen werden verschleppt, weil die Bundesregierung die weiße Weste der deutschen Wirtschaft nicht beflecken möchte.

Vor sieben Jahren ist der Geschäftsführer der Bonner Firma Inwanko, eines Im- und Export-Unternehmens, verhaftet worden. Der Mann stand im Verdacht, den irakischen Diktator Saddam Hussein mit tödlichen Spielzeugen zu beliefern. Innerhalb von drei Jahren sandte die Firma Rüstungsgüter für 33 Millionen Mark nach Bagdad. Ein Teil der Lieferungen wurde in irakischen Raketenprojekten verbaut oder dienten dem Wunsch des Diktators nach einer eigenen Atombombe. Die beiden Haupthandlanger, Friedrich Simon H. und Klaus W., machten vor Gericht auf arglos. Nie hätten sie geahnt, daß es sich um ein Rüstungsprojekt handele.

Bonn, anfangs an Fällen wie diesem hochinteressiert, winkte ab: Der deutsche Export solle nicht mehr durch die Aufklärungsarbeit von »Nestbeschmutzern erschwert werden«, wie ein Bonner Ministerialbeamter es ausdrückt. Andere hätten schließlich auch geliefert.

Der Prozeß gegen die beiden Todeslieferanten geriet folgerichtig ins Stocken. Die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen die Beschuldigten wurde abgelehnt. Einerseits habe es sich um reine Vermittlungsgeschäfte gehandelt, zum andern sei »nicht hinreichend wahrscheinlich« daß die in Rede stehenden Ringmagnete zum Bau einer Atombombenfabrik verwendet worden seien. Man erwägt, das Verfahren gegen die Zahlung einer Geldbuße einzustellen. Vielleicht bleibt am Ende nur ein einziger Anklagepunkt: Ein Schlauchsystem, das die beiden geliefert hatten, fand sich in den Resten einer über Tel Aviv niedergegangenen irakischen Scud-Rakete. Aber egal: In ein paar Monaten ist der Fall sowieso verjährt.

Das blüht etlichen Verfahren in diesem Bereich. Die Ermittlungsakten gegen viele der Deutschen, die Rüstungsgüter an den Irak verkauft haben, lagern seit sechseinhalb Jahren in den Behördenschränken, ohne daß bisher etwas passiert ist. Einige der Fälle sind inzwischen verjährt, andere sollen mit Ordnungsstrafen abgehakt werden. Die Gerichte fällten nur drei Urteile mit Haftstrafen, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden. Das eine mit fünf Jahren und sechs Monaten gegen den Kaufbeurer Kaufmann Anton Eyerle, einen erklärten Saddam-Bewunderer, das andere mit zwei Jahren und zehn Monaten gegen die beiden Münsteraner Manager der Firma H + H Metallform, die für den irakischen Diktator Kriegsgeschäfte in Deutschland abwickelten.

Von den 153 Verfahren, die wegen des Verstoßes gegen das Irak-Einbargo in Deutschland eingeleitet wurden, sind inzwischen 83 eingestellt. Es kam zu zwölf Verurteilungen. In 28 Fällen wird weiterermittelt. Von 30 Bußgeldverfahren endeten nur zwölf mit einer Geldstrafe.

Große hessische Firmen wie die Degussa oder die Hanauer Leybold AG, die sich wohl darüber bewußt waren, was sie dort lieferten und in internen Papieren von »fliegenden Marmeladeneimern« statt von Raketen sprachen, gerieten ins Visier der Fahnder. Ergebnis der Ermittlungen: Fast alle Fälle sind verjährt. Mercedes lieferte Fahrzeuge, die auch als Abschußrampen für Scud-Raketen taugen. Fazit: Ermittlungen eingestellt. Etwa 70 Prozent der Giftgasanlagen im Irak stammen aus der Bundesrepublik. Die Exporteure hatten angeblich geglaubt, es handele sich um Anlagen für die Produktion von Mitteln zur Schädlingsvernichtung. Ergebnis: Freispruch.

Ungesühnt blieb auch die Lieferung einer Inhalationskammer durch eine deutsche Firma, in der Hunde, Esel und vielleicht auch Kuwaitis vergast wurden, um die Wirkung von Giftstoffen zu testen. 90 Prozent der Lieferungen, mit deren Hilfe Irak die Reichweite ihrer Scud-Raketen steigerten und neue Kurzstreckenraketen bauen konnten, kamen aus Deutschland. Gegen eine Hamburger Firma, die Kreisel für die Scuds nach Bagdad lieferte, wurden das Verfahren eingestellt. Der Prozeß gegen eine Firma, die Raketenteile über Umwege in den Irak geschleust hatte, wurde in einer Art Geheimverfahren an einem Tag durchgezogen, wohl, weil die Firmenmitarbeiter Kontakte zu einem süddeutschen Waffenkonzern und zum Bundesnachrichtendienst besaßen. Ergebnis: Bewährungsstrafen.

Mit anderen Worten: Wir brauchen dringend härtere Strafen gegen Ladendiebe. Der Handel mit dem Tod ist demgegenüber halb so wild. Weil der Tod weit weg stattfindet.

 

Thomas Schüsslin